Über den Wahltag hinausgedacht: Grünes Konzept gegen Rechts und zur dauerhaften Förderung von Initiativen und Verbänden

Bund-Länder-Europa Treffen gegen Rechtsextremismus am 22.04.2013

Das Bund-Länder-Europa-Treffen fand am 22. April von 12.30 bis 15.00 Uhr im Deutschen Bundestag statt [Einladung lesen].

Monika Lazar begrüßte die Bündnisgrünen, die aus verschiedenen Ländern und Ebenen angereist waren, zum letzten Bund-Länder-Europa-Treffen gegen Rechtsextremismus in dieser Bundestags-Wahlperiode. Sie betonte, dass mit der Wahlperiode nicht die grüne Arbeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit endet und wir deshalb auch jetzt schon ein langfristiges, finanziell solides Konzept zur Förderung von Anti-Nazi-Initiativen für die Zeit nach 2013 vorbereiten wollen. Dazu haben Bündnis 90/Die Grünen bereits umfangeiche Vorarbeit geleistet. Wesentliche Analysen, Ziele und Ansätze sind in einem AutorInnenpapier von Sven-Christian Kindler und Monika Lazar veröffentlicht.

Sven-Christian Kindler, fachlich zuständiger Haushaltspolitiker für die Bundesprogramme gegen Rechts im Bundesfamilienministerium, informierte zu Beginn über das jüngste grüne Fachgespräch zum Förderkonzept. Einen ausführlichen Onlinebericht über das Fachgespräch kann man hier nachlesen.

Sven-Christian Kindler erläuterte, dass durch den anstehenden Wechsel des Bundestages der nächste Bundeshaushalt erst im April/Mai 2014 beschlossen wird und somit eine Förderlücke für die Modellprojekte droht. Solche Risiken in der Förderung wollen wir künftig vermeiden. Unser Konzept soll Sicherheit und Stabilität herstellen und schwarz-gelbe Schikanen (Extremismusklausel) sowie realitätsferne Programmrichtlinien (Extremismusdoktrin) beenden. Langfristige Strukturförderung halten wir für unverzichtbar, wobei der Bund eine besondere Verantwortung übernehmen muss, aber auch die Länder in sinnvoller Weise Anteil nehmen sollen. Derzeit befindet sich die grüne Bundestagfraktion mit AkteurInnen verschiedener Ebenen und Regionen über die Idee einer Zuwendungsstiftung im Austausch. Wie diese konkret ausgestaltet sein könnte und welche Vorstellungen es von den grünen VertreterInnen aus den Bundesländern gibt, wurde im Anschluss diskutiert.

Am Beispiel der Lokalen Aktionspläne (LAP) zeigte sich dabei, wie viele Facetten zu betrachten sind. So wurde beschrieben, was ein großes Manko bei den LAP sein kann: Das Förderangebot wird nur von den Kommunen genutzt, die bereits ein Problembewusstsein im Themenfeld Rechtsextremismus haben. Kommunen, denen dies fehlt, beantragen keine Mittel, so dass dort auch keine zivilgesellschaftlichen Strukturen gefördert werden können. Hinzu kommt, dass nicht alle LAP das Geld spezifisch genug einsetzen, um die gewünschten Ziele zu verfolgen, sondern teilweise Kürzungen in kommunalen Jugendetats ausgleichen. Eine sachfremde Mittelverwendung ist besonders kontraproduktiv. Denn nach außen hin entsteht der Eindruck, in der Region würde etwas gegen Rechts getan. Zugleich kommt jedoch das Geld nicht dort an, wo es dringend erforderlich wäre: bei kompetenten Strukturen wie Mobilen Beratungsteams, Opferberatungsstellen oder Ausstiegshilfeprojekten, die es leider noch viel zu wenig gibt.

An anderen Orten sind es gerade die LAP, die die mobilen Strukturen überhaupt finanziell am Laufen halten, was auch nicht Sinn der Sache ist.
Trotz aller Unzulänglichkeiten wurde der Grundansatz der LAP teilweise auch begrüßt, weil er eine Chance zur Vernetzung vieler Akteure vor Ort bietet. Wird diese Chance in qualitativ guter Weise genutzt, kann dies die Demokratieentwicklung in der jeweiligen Region voranbringen. Offen blieb die Frage, wie Kommunen, die sich uninteressiert zeigen, einzubinden wären. Konsens war hingegen, dass es auch für Initiativen und Verbände aus Kommunen, wo die Verantwortlichen kein Problembewusstsein haben, die Möglichkeit geben muss, direkt Förderanträge stellen zu können.

Verschiedene Aspekte traten auch bei der Frage nach der (finanziellen und/oder sonstigen) Beteiligung der Länder zutage. Dass die Länder grundsätzlich inhaltlich eingebunden sein sollen, war Konsens. Im Einzelnen müssen aber noch etliche Fragen beantwortet werden. So sollten die Länder zwar mitwirken, aber keinen Freibrief erhalten, die Entstehung oder Erhaltung von Strukturen zu blockieren. Es müssten gemeinsam verbindliche Standards vereinbart werden. Entsprechend dieser Standards sollten bestimmte Strukturen ausfinanziert werden, dauerhaft und bundesweit einheitlich. Haushaltspolitisch gilt es, ineffiziente Doppelförderungen zu vermeiden. Dennoch wollen wir, dass nicht nur der Bund, sondern auch die Länder Projekte fördern. Das soll aufeinander abgestimmt erfolgen, allerdings ohne großen bürokratischen Überbau. In den Ländern besteht teilweise der Wunsch, Mittel zu erhalten, mit denen man selbst nach Gutdünken gestalten darf. Allerdings muss klar sein, dass diejenige Ebene, die das Geld bereit stellt, zumindest über Kriterien und Standards entscheidet. Was aber ist dort, wo in schlechter Qualität oder gar nicht gehandelt wird? Wie geht man damit um, wenn Länder ihre bisherige Förderung in dem Moment einstellen, wenn der Bund mehr finanzielle Pflichten übernimmt? Für diese Fragestellungen sind VertreterInnen aller Ebenen gefragt, um Lösungen zu erarbeiten.

Einige TeilnehmerInnen brachten Erfahrungen aus der Mitarbeit in Stiftungen ein und ermutigten: Eine Zuwendungsstiftung kann gut funktionieren. Im Jahr 2000 fand sich mit der Gründung des rot-grünen Programms CIVITAS ein Stiftungskonsortium (z.B. mit Jugendstiftung und Amadeu Antonio Stiftung) zusammen, so etwas könne man wieder machen. Es ließen sich unter Umständen bereits bestehende Institutionen mit Expertise nutzen. Diese wären auch in der Lage, den Transfer von Erfahrungen und Ansätzen zwischen den Initiativen zu verbessern. Für fachliche Standards wäre ein fachlicher Beirat denkbar. So könnte über die Ausreichung von Zuwendungen hinaus eine inhaltliche Antragsbewertung vorgenommen werden.
Hierbei gingen die Sichtweisen auseinander. Kritisch wurde angemerkt, eine Stiftung schaffe evtl. mehr Überbau und berge die Gefahr der Selbstbeschäftigung. Eine zentrale Mittelverwaltung könnte die nötige Sensibilisierung vor Ort behindern. Manches sollte Länderaufgabe bleiben. Als Beispiel wurde die politische Bildung genannt. Zugleich sah man natürlich das Problem des Wegbrechens, wenn dem Land das Geld fehlt und folglich andere Prioritäten gesetzt werden.

Es wurde angemerkt, dass das Prinzip der Jährlichkeit der Förderung für Initiativen und Verbände eine fortlaufende Schwierigkeit darstelle, auch bei einer Stiftung. Dies wäre aber durch haushaltstechnische Vorgaben lösbar. Über Verpflichtungsermächtigungen lassen sich längere Förderperioden festlegen. Mehr Sicherheit kann aus einer Stiftungslösung nur erwachsen, wenn sie breit getragen wird, egal unter welcher Regierung. Deshalb ist es empfehlenswert, dass sie als reine Finanzierungsstiftung angelegt wird und keine eigene Programmarbeit macht. Fest steht: Der Bundestag muss eine Stimme in der Stiftung haben, der Bundesrechnungshof Prüfmöglichkeiten. Durch gute Vorgaben lässt sich eine fachliche Qualitätssicherung erzielen.

Zur inhaltlichen Ausrichtung wurde vorgeschlagen, mindestens zwei Fördertöpfe einzurichten. Zum einen muss der Bund einen Grundstock bereitstellen, damit Strukturen langfristig und verlässlich gefördert werden. Dies gilt etwa für mobile Beratung, Opfer- und Ausstiegsberatung. Zum anderen brauchen wir Möglichkeiten für neue Ansätze und Problemstellungen, beispielsweise hinsichtlich des Rechtsextremismus im Internet oder bzgl. Nazi-Frauen und –Familien. Gerade Ausstiegsprogramme gibt es noch zu wenige. Besonders prekär ist die Lage dabei für Frauen und Mädchen, für die gezielte Angebote komplett fehlen. Bei der Bestückung der beiden Fördertöpfe könnte eine unterschiedlich starke Beteiligung von Bund und Ländern vereinbart werden. Dies wäre ein Ansatz, um einerseits die Verantwortung zu teilen und andererseits dennoch ein verlässliches Netz von Strukturen gegen Rechtsextremismus und andere gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit für ganz Deutschland zu knüpfen.