Verantwortlich handeln gegen jede Ideologie der Ungleichwertigkeit

Pressemitteilung, 12.12.2011

Zur heutigen Vorstellung der zehnjährigen Bilanz der Heitmeyer-Studie "Deutsche Zustände" erklärt Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:

Die Politik muss eine viel mehr Verantwortung dafür übernehmen, Ideologien der Ungleichwertigkeit den Nährboden zu entziehen. Dabei gilt es, endlich Ursachenforschung zu betreiben und über das kurzfristige "Erschrecken" über Gewaltereignisse hinaus aktiv zu bleiben.

Die traurige Bilanz lautet: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit befindet sich seit Jahren auf einem hohen Niveau und durchzieht die gesamte Gesellschaft. So findet die Hälfte aller Befragten, dass Deutschland "in einem gefährlichen Maß überfremdet" sei. 30,4 Prozent der Befragten betrachten die meisten Obdachlosen als "arbeitsscheu", 12,8 Prozent meinen, die Weißen "seien zu Recht führend in der Welt". Alarmierend ist auch, dass zwischen knapp zehn Prozent und knapp 20 Prozent der Deutschen Gewalt billigen beziehungsweise selbst bereit sind, Gewalt zur Sicherung der eigenen Position auszuüben. Bedenkt man, dass nicht jeder eine solche Position zugibt, dürfte der Wert noch höher sein.

Die Beispiele machen deutlich: Justiz und Polizei können die Probleme nicht lösen, da sie sich allenfalls mit der Spitze des Eisbergs, den tatsächlichen Gewalttätern, befassen. Politik und Gesellschaft müssen sich fragen: Welche Rahmenbedingungen fördern Ideologien von Abwertung und Ungleichwertigkeit? Welche politischen Strategien brauchen wir, wenn 74 Prozent der Menschen bestätigen: "Die Gesellschaft fällt eigentlich immer mehr auseinander" und 56 Prozent glauben: "Der Zusammenhalt der Deutschen ist gefährdet."

Der statistisch belegte Zusammenhang zwischen feindseligen Mentalitäten und einer zunehmenden sozialen Entsicherung darf nicht länger ausgeblendet werden. Eine rein ökonomistische Orientierung der Gesellschaft verletzt die Würde der Menschen und schafft Verunsicherung. Daraus erwächst ein Konkurrenzdenken, das auch eine Abwertung von Gruppen fördert. Besonders Menschen, deren sozialer Status schlecht oder gefährdet ist, fühlen sich von Vielfalt bedroht. Es genügt daher nicht, rechtsextreme Parolen und Taten entschieden zu ächten. Wir müssen einer Normalisierung von versteckten Haltungen der Ungleichwertigkeit entgegenwirken.

Wir fordern die Bundesregierung auf, ein 50-Millionen-Euro-Programm gegen alle Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aufzulegen. Die Erkenntnisse der Heitmeyer-Studie müssen konzeptionell einbezogen werden. Langfristig brauchen wir eine demokratiepolitische Offensive aus einem Guss auf allen Ebenen. Damit die Menschen Offenheit und Lust an der Mitwirkung entwickeln, muss die Politik aber auch der wachsenden Verschärfung der sozialen Spaltung entgegenwirken und Chancengleichheit fördern.