Vor Fußball-WM: Deutschland bereit, Namen aus "Hooligan-Datei" an Russland zu schicken

Pressebericht, netzpolitik.org, 17.03.2018

"Überwachung"
- Das Bundesinnenministerium sammelt die Daten von tatsächlich und angeblich gewalttätigen Sportfans in einer Datenbank. Einzelne Namen können dabei auch bei den russischen Behörden landen. Für das Innenministerium ist das okay, eine Abgeordnete der Grünen warnt hingegen vor der „Datenweitergabe an ein autoritäres Regime“.

Im schönsten Behördendeutsch heißt die Liste „Datei Gewalttäter Sport“: Seit Jahren sammelt der deutsche Staat die Namen von Hooligans, echten und vermeintlichen. Denn auch wenn sich jemand nichts zuschulden kommen ließ: Wer einmal auf der geheimen Hooligan-Liste steht, kommt nur schwer wieder runter. Das zeigt die Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Monika Lazar.

Brisant ist die Liste nicht zuletzt wegen der Fußball-WM der Männer in Russland im Sommer diesen Jahres: Schon im Vorjahr hat Russland Informationen über einreisende Deutsche, die auf der Liste sind, angefragt. Die deutschen Behörden sandten daraufhin fünf Namen. Auch für die Weltmeisterschaft 2018 sind bereits Anfragen aus Russland nach Namen aus der „Hooligan-Liste“ eingetroffen, heißt es in der Antwort. Die Bundesregierung sieht in der Weitergabe kein Datenschutzproblem. Im Einzelfall sei dies gerechtfertigt. Der russische Grenzdienst habe im Fall der fünf Namen im Vorjahr mitgeteilt, diese inzwischen gelöscht zu haben.


Vom Dialekt bis zur Schuhgröße

Die sogenannte Hooligan-Datei ist dazu da, um gewaltbereite, bereits auffällig gewordene Sportfans zu erfassen. Sie umfasst mehr als 10.000 Personen. In die Liste aufgenommen werden dabei nicht nur verurteilte Straftäter und Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren läuft. Zuweilen landen darin auch Menschen, bei denen die Polizei bloß am Rande von Sportereignissen die Personalien aufnahm. In der Datei sind bis zu 50 verschiedene Details und Merkmale einer Person eingetragen, von Kontaktdaten und Geburtsdatum bis zu Tattoos, dem gesprochenen Dialekt und der Schuhgröße. Wer auf der Liste landet, muss mit Intensivkontrollen an Flughäfen rechnen und wird aus Sicht von Fananwälten zu Unrecht stigmatisiert.

Viele Betroffene wissen nicht einmal, dass sie auf der Liste stehen: Nur in Rheinland-Pfalz und Bremen werden Leute proaktiv benachrichtigt, wenn sie aufgenommen werden. Auch ist es ein steiniger und kostspieliger Weg, selbst einen ungerechtfertigten Eintrag auf der Liste löschen zu lassen, sagt der Berliner Fananwalt Rene Lau auf Anfrage von netzpolitik.org. Denn dafür müsse gegen jene Polizeistelle geklagt werden, die den ungerechtfertigten Eintrag vorgenommen habe. Wenn es Eintragungen durch mehrere Polizeien gegeben hat, brauche es daher auch mehrere Klagen. Das sei besonders für junge, mittellose Fußballfans schwierig, sagt Anwalt Lau. Denn bei Scheitern der Klage bleiben sie auf den Kosten sitzen.


„Rechtswidrige Datenweitergabe an autoritäres Regime“

Für problematisch halten die Bundestagsabgeordnete Lazar und der Fananwalt zudem die Weitergabe von Daten an russische Behörden. „Wichtige Schutzvorkehrungen, wie die vorherige Konsultation der Datenschutzbeauftragten, wurden nicht eingehalten. Man muss also von einer rechtswidrigen Datenweitergabe an ein autoritäres Regime sprechen. Dies zeigt, dass der Schutz von sensiblen Informationen über Fans auch im Vorfeld der WM durch die Bundesregierung kaum gewährleistet sein wird“, schreibt Lazar in einer Stellungnahme. Sie fordert darüber hinaus eine Reform der Datei Gewalttäter Sport, mit der die Betroffenen über ihre Aufnahme informiert werden und ihre Daten gelöscht werden, wenn Verfahren gegen sie beendet werden.

Die Bundesregierung hält trotz der Kritik weiterhin an der umstrittenen Datenbank fest. „Ihre Nutzung ist vor dem Hintergrund des – bei saisonüblichen Schwankungen – grundsätzlich hohen Niveaus von Sicherheitsstörungen bei Fußballspielen weiterhin erforderlich“, schreibt das Bundesinnenministerium in seiner Antwort an Lazar. Echte und angebliche Hooligans müssen sich somit weiterhin damit abfinden, unter wenig transparenten Bedingungen ins Visier der Behörden zu geraten.


Autorin: Alexandra Fanta

[Quelle: netzpolitik.org]