Queer im Parlament und den Institutionen

Pressebericht, www.blu.fm, Queeres Stadtmagazin in Berlin, 14.09.2019

Mit dem Ende der politischen Sommerpause beginnt der Berliner Parlamentsbetrieb und die neue Reihe von blu, die einen Einblick in Herz und Kopf unserer Demokratie vermittelt. Jede Sitzungswoche fokussiert aus queerer Sicht und komprimiert.

Die Haushaltsdebatte

Der Bundestag startet im September nach der Sommerpause traditionell mit den Debatten über den Haushalt des nächsten Jahres. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) legte im Sommer den Haushalt für alle Ressorts der Bundesregierung vor. Traditionell wird die Parlamentsdebatte, bei der die jeweiligen Bundesminister sich im Bundestag stellen, von der Opposition genutzt, auf grundlegende Unterschiede zu ihren Politikansatz hinzuweisen. Natürlich wurden auch die großen Fragen verhandelt, wie ist Deutschland kurz vor einem wirtschaftlichen Abschwung aufgestellt, kommt die Grundrente oder ist ein Bundeswehrhaushalt von mehr als 50 Milliarden nicht überdimensioniert?

Demokratie Leben, Programm gegen Minderheitenfeindlichkeit

Aus einer queeren Perspektive ist der Haushalt des Bundesfamilienministeriums herauszuheben. In diesem seit sechs Jahren von der SPD geführtem Ministerium werden zahlreiche Projekte unterstützt, die queeren Lebenswelten fördern. Der Haushalt dieses Ressorts (Einzelplan 17) umfasst fast 12 Milliarden Euro. In der neunminütigen Rede streifte Bundesministerien Monika Giffey diese Projekte nur am Rande. Sie betonte, dass das Programm "Demokratie Leben" fortgeführt wird und mittlerweile auf 100 Millionen Euro angewachsen ist. Mit diesem Programm soll die Demokratie und das Ehrenamt gestärkt werden. Das Programm ist indirekt eine Antwort auf den erstarkten Rechtsextremismus. Es fördert unter anderem queere Projekte aber auch Initiativen, die sich dem Rechtsruck entgegenstellen. Durch Zwischenrufe wurden hier bereits erste Unterschiede deutlich, die die Opposition ausführte.

Debatte um Kürzungen

Monika Lazar von den Grünen machte "Demokratie Leben" zum Schwerpunkt ihrer Rede. Sie machte darauf aufmerksam, dass "die Dachverbände der mobilen Beratung und der Opferberatung wurden bereits beim Interessenbekundungsverfahren vom Ministerium abgelehnt werden, obwohl diese Dachverbände seit nun mittlerweile 20 Jahren ein bundesweites Monitoring rechter Gewalt entwickeln." Sie rief dazu auf, die Kürzungen bei diesem Programm zurückzunehmen. [Zur Rede]

Doris Achelwilm von DIE LINKE ging ebenfalls auf die Kürzungen ein und betonte, dass das Programm deutlich gestärkt werden müssen. Lobend hob sie Finanzierung des Bundesnetzwerks für Beratung von trans- und intergeschlechtlichen Menschen sowie die Förderung des Dachverbands Lesben und Alter e. V. hervor.

Sönke Rix (SPD) von der Regierungskoalition ging indirekt auf die Kritik am Haushaltsansatz sowie der Förderung der Projekte von „Demokratie Leben“ ein. Er wies darauf hin, dass man in den Haushalteberatungen im Ausschuss schauen werde, dass das Geld dieses Programmes „auch zielgenau dort vor Ort“ ankommt. Die Unionsparteien beschwiegen das Programm.

AfD beweist, warum Kürzungen schlecht für Queers sind

Wieso dieses Programm wichtig ist, wurde durch die Rede von Rechtsaußen, durch Mariana Iris Harder-Kühnel (AfD), deutlich. Sie bezeichnete die Familienförderprogramme als „sozialistische Super-Nanny“ und unterstellte das Ziel, dass damit Kinder lenkbar gemacht werden sollen. Die Gleichstellungsprogramme des Ministeriums würden die Familien angreifen und

"Sie wollen aus Männern Frauen und aus Frauen Männer machen."

In ihrer aggressiven Rede ging sie auf die Projekte von "Demokratie Leben" ein und bezeichnete diese als "linke Propagandainstitute." Ein Tiefpunkt in der ansonsten sachlich geführten Debatte über den Familienhaushalt.

Wichtiges Instrument gegen Diskriminierung lautlos gekürzt

Leider ging keiner der Debattenbeiträge auf die Kürzungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ein. Diese in der Vergangenheit so wichtige Stimme für die Gleichberechtigung von queeren Menschen soll um mehr als 1 Millionen Euro gekürzt werden. Die Leitung ist wegen eines Rechtsstreits zum Bewerbungsverfahren seit mehr als einem Jahr nur kommissarisch besetzt und de facto als Stimme kaum vernehmbar. Die angekündigten Kürzungen gerade im Öffentlichkeitsbereich sind aus queerer Sicht ein herber Schlag.

Nun wird in den Ausschüssen über den Haushaltsansatz beraten. Voraussichtlich Ende Oktober wird der Haushalt im Parlament beschlossen.

Link zur Plenardebatte / Link zum Haushaltsansatz

Autor: Bodo Niendel, Redaktion

[Quelle: https://www.blu.fm/gesellschaft/politik/queer-in-den-parlamenten-und-institutionen/]