Halbherzige Unterstützung

Pressebericht, Frankfurter Rundschau, 13.11.2012

Von Danijel Majic und Katja Tichomirowa

Initiativen gegen Rechts kritisieren mangelnde Förderung durch die Politik. Doch es besteht dringend Bedarf: In Ostdeutschland sind erstmals mehr jüngere als ältere Menschen rechtsextrem eingestellt.

Neun Prozent der deutschen Bevölkerung habent ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild, 20 Prozent sind antisemitisch, 25 Prozent ausländerfeindlich, 36 Prozent islamfeindlich eingestellt. Für die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Maria Böhmer (CDU) sind diese Ergebnisse unterschiedlicher Studien „Anlass zu großer Sorge“, wie sie am Dienstag mitteilen ließ.

Die jüngste Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung weist vor allem für Ostdeutschland aus, dass dort die Zahl der jüngeren Menschen mit rechtsextremer Einstellung erstmals die der älteren übersteigt. Die Autoren sprechen bereits von einer neue Generation von Rechtsextremen – für Staatsministerin Böhmer „ein Alarmzeichen“.

Alarmzeichen gab es bereits genug. Auch die Bundesregierung hat sie vernommen. Für die grüne Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, Monika Lazar, ist eine gesellschaftliche Demokratieoffensive auf allen Ebenen überfällig. Die lässt indes auf sich warten. Ein Spitzentreffen der Bundesregierung mit Initiativen und Verbänden gegen Rechts verlief im Januar enttäuschend. Die Initiativen, darunter die Amadeu-Antonio-Stiftung, Grüne und Linke kritisierten das mangelnde Engagement der Regierung.

Ministerin setzt auf Bürokratie


Die Ankündigung des zuständigen Familienministerium, noch in diesem Jahr ein mit zwei Millionen Euro unterstütztes Informations- und Kompetenzzentrum gegen Rechts ins Leben zu rufen, wurde mit dem Vorwurf quittiert, das Ministerium leide an „Projektitis“. Statt immer mehr Geld für Bürokratie auszugeben, sollte der Bund eine dauerhafte Finanzierung der Initiativen gegen Rechts sicherstellen.

Initiativen wie das Alternative Kultur- und Bildungszentrum AKuBiZ im sächsischen Pirna sind auf Fördergeld des Bundes angewiesen. Das blieb in diesem Jahr aber aus, weil sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Initiative geweigert hatten, die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder erdachte sogenannte Extremismusklausel zu unterschreiben. Die verpflichtete nicht nur die Mitglieder auf ein Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung, sondern verlangte von Initiativen auch, sämtliche Partner auf ihre Gesinnung hin zu überprüfen. Statt zu unterschreiben, zog AKuBiZ vor Gericht. Im April 2012 stellte das Verwaltungsgericht Dresden fest, der Landkreis habe rechtswidrig gehandelt. Der Text der Klausel sei rechtswidrig.

„Für uns hat das leider keine praktische Konsequenz“, sagte die Sprecherin der Initiative, Anne Nitschke, der Berliner Zeitung am Dienstag. „Die beantragten 600 Euro bekamen wir nur dank eines großzügigen Spenders.“ Nitschke beklagt noch weitere bürokratische und finanzielle Hürden. „Die Bundesmittel sind auf drei Töpfe verteilt“, erklärt sie. Mittel für Initiativen gegen Rechts gibt es nur, wenn die Projektträger 50 Prozent Eigenmittel nachweisen können. Mittel gegen Linksextremismus werden dagegen schon bei zehn Prozent Eigenbeteiligung vergeben. Die Extremismusklausel gibt es weiterhin, allerdings in abgewandelter Form.

Auch abseits der Extremismusklausel stellt die Förderung durch den Bund viele Initiativen vor Probleme. Weil die Fördermittel jährlich neu bewilligt werden, sehen sich die Initiativen gezwungen, festangestellten Mitarbeitern im Oktober sicherheitshalber zu kündigen – für den Fall, dass die Mittel nicht genehmigt werden. „Das ist ein altbekanntes Problem“, sagt Jonas Frykman, Geschäftsführer des Aktionbündnisses Brandenburg, „damit trägt man nicht dazu bei, qualifizierte Mitarbeiter aufzubauen.“

NPD klagt

In Karlsruhe will die NPD mit einer Klage auf Feststellung ihrer Verfassungsmäßigkeit einem drohenden Verbotsverfahren zuvorkommen. Ein Sprecher des Bundesverfassungsgerichts habe am Dienstag bestätigt, dass seit Montag ein entsprechender Antrag der rechtsextremistischen Partei vorliege. Das berichtet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung.

Das höchste deutsche Gericht sieht damit einem Verfahren entgegen, das es so in der deutschen Parteiengeschichte noch nie gegeben habe. Wie viel Zeit die Prüfung des Antrags in Anspruch nehmen werde, sei derzeit nicht abzusehen, erklärte der Sprecher.

Ein erstes Verbotsverfahren gegen die NPD scheiterte 2003 in Karlsruhe. Das Bundesinnenministerium prüft seit einiger Zeit ein neues Verfahren.

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