Die Polizei zu fliegenden Beweismitteln, Resonanzaktionen und zwei Drogenhändlern in Haft

Pressebericht, Leipziger Internet Zeitung, 15.10.2012

LIZ, Michael Freitag

Viel Neues hatte die Leipziger Polizei heute dann irgendwie doch nicht zu den Vorgängen rings um die Großrazzia in der Stockartstraße beizutragen. Von vier festgenommenen Personen sind nun zwei in Haft, die Menge der sichergestellten Drogen nicht klein und auch Crystal sei dabei gewesen. Im Weiteren versucht sie eine Erklärung zu liefern, warum der Einsatz am 12. Oktober sich bis in das Außengelände der Kita in der Biedermannstraße erstreckte. Es seien Beweismittel vermutet worden, welche aus einem angrenzenden Gebäude in das Kita-Areal flogen. Da war offenbar Eile geboten und die Kita kurzfristig telefonisch nicht erreichbar.

Runde 11 Kilogramm Marihuana und zirka 1,5 Kilogramm Haschisch sowie weitere betäubungsmittelverdächtige Substanzen, wie Crystal in geringen Mengen haben die Beamten nun nach eigenen Angaben eingesammelt. Waffen auch, etwas ungenau der Begriff, aber Bedrohliches wird schon dabei gewesen sein. Und zu zwei 36jährigen männlichen Personen konnten dem Ermittlungsrichter genug Beweise vorgelegt werden, dass dieser die weitere Untersuchungshaft anordnen konnte.

Bis hier eine Aktion der Polizei, zu der sie laut Auftrag berufen und im Fall des offensichtlichen Handlungsstützpunktes in der Stockartstraße erfolgreich tätig war. Nun muss sie sich jedoch mit weiteren Vorfällen befassen und vielleicht auch erklären, warum sie dazu mit vier Beamten in das Außenareal einer Kita stürmten.

„Im Zusammenhang mit den Durchsuchungsmaßnahmen in der Stockartstraße wurde durch die eingesetzten Beamten festgestellt, dass aus einem angrenzenden Gebäude Gegenstände auf das Nachbargrundstück des Kindergartens in der Biedermannstraße geworfen wurden. Da der Verdacht bestand, dass Beweismittel vernichtet bzw. verbracht werden sollten, war sofortiges Handeln angezeigt. Das relevante Grundstück konnte kurzfristig nur über den Hof des Kindergartens erreicht werden.“ so die PD Leipzig heute in einer Mitteilung zur Causa „Kinderschreck“.

Da nun also offenbar nicht die Festnahme eines eventuell Flüchtenden im Zentrum des Geschehens stand, bleibt die Frage nach der Dringlichkeit wohl vorerst noch offen. Denn ob die Beamten dann auch etwas Tatrelevantes im Hof fanden, teilen sie nicht mit.


"Hausdurchsuchungen werden in der Regel nicht am helllichten Tag durchgeführt und nicht mit Unterstützung einer ganzen Hundertschaft." (Lazar)
Foto: Martin Schöler

Ob diese Erklärung, die nach Gefahr in Verzug riechen soll, auch rechtlich korrekt ist, fragt sich die Leipziger Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (B90 / Die Grünen), wenn sie attestiert, dass es sich in ihren Augen am 12. Oktober eher um einen „verantwortungslosen Umgang mit dem staatlichen Gewaltmonopol“ handelt. Lazar weiter „ …weil die Polizei das Gewaltmonopol des Staates darstellt, ist es umso notwendiger, dass die Einsätze verantwortungsvoll durchgeführt werden. Daran gibt es eine Reihe von Zweifel. Hausdurchsuchungen werden in der Regel nicht am helllichten Tag durchgeführt und nicht mit Unterstützung einer ganzen Hundertschaft. Das Betreten der Kindertagesstätte durch Spezialkräfte der Polizei und die mangelnde Informationsweitergabe ist rechtsstaatlich bedenklich. Auch wenn die Polizei richtigerweise feststellt, dass Informationen nicht weitergegeben werden dürfen, stellt sich dennoch die Frage, warum offenbar Medienvertreter mit Beginn des Einsatzes Bescheid wussten, während es offenbar nicht möglich war, die Kita vorher zu informieren.“

Auch ihr selbst seien als anwesender Abgeordneten nur sehr zögerlich von Seiten der Polizei Auskunft erteilt worden.

„Sofern die Polizeiführung nicht die Gründe darlegt, warum von der üblichen Routine einer Hausdurchsuchung abgewichen wurde, ist davon auszugehen, dass es hier vor allen Dingen um eine Machtdemonstration ging. Aus meiner Sicht, als Anwohnerin und Wahlkreisabgeordnete, stellt sich der Einsatz als völlig überzogen dar.“

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Was hingegen Einige im Nachgang als laut Polizei klaren „Resonanzaktionen“ anstellten, kann die Abgeordnete Lazar „in der derzeit angespannten Situation“ ebenso wenig gut heißen. Womit sie nicht allein sein dürfte. „Selbst wenn der Polizeieinsatz in Teilbereichen rechtswidrig gewesen sein sollte, darf das kein Grund für Sachbeschädigungen sein.“ so Lazar heute.

Dies könnte man auch so formulieren – wer im vorgeblich eigenen Viertel mit Feuer hantiert, scheint nicht wirklich in ihm wohnen zu wollen.

Und während Lazar nun eine lückenlose Aufklärung der Polizei zum Einsatz in der Stockartstraße einfordert, hat die Polizei mit eben jenen Auswüchsen zu kämpfen, die ihr angeblich unverständlich sind. Denn obwohl sich die Maßnahmen der Razzia nicht gegen „Vertreter der sogenannten alternativen Szene in Connewitz“ gerichtet hätten, scheint man sich bei der Polizei zu wundern, dass die nachfolgenden Barrikadenerrichtungen und Brandsätze gegen die Polizeiwachen in der Weißenfelser Straße und in der Dimitroffstraße wie „Solidarisierungsaktionen mit den Rauschgifthändlern wirken“.

Man könnte es auch als eine bewusste Fehlinterpretation bezeichnen, die das eigene Handeln der Polizei in Art und Weise der Verhaftungen am 12. Oktober ausblendet. Und so liest es sich dann im Beamten-Pressedeutsch auch irgendwie seltsam, wenn die Meldung der Polizei mit dem Satz schließt: „Mit der Leitung und dem Träger des Kindergartens wurde am heutigen Tag Kontakt aufgenommen und der Hintergrund der polizeilichen Maßnahmen erläutert.“

Vielleicht hat sich dabei ja sogar jemand mal bei den Kindern entschuldigt?

Quelle: www.l-iz.de