Bouffier wird grün - Hessische CDU steuert auf Koalition mit Ökopartei zu.

Pressebericht, Neues Deutschland, 23.11.2013

Neuauflage der Pizza-Connection auf Bundesebene geplant

Berlin. Hessen könnte seinem Ruf als Politlabor erneut gerecht werden. In dem Bundesland, wo es 1985 das erste rot-grüne Bündnis gab, bahnt sich die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenland an. Ministerpräsident Volker Bouffier von der CDU wollte den Grünen noch am Freitag ein entsprechendes Angebot für Koalitionsverhandlungen machen.

Das Zustandekommen eines schwarz-grünen Bündnisses in Wiesbaden würde nach Ansicht der hessischen Linkspartei auch Signalwirkung für den Bund haben. Die Fraktionsvorsitzende im Landtag, Janine Wissler, zeigte sich gegenüber der "Mitteldeutschen Zeitung" enttäuscht und nannte es "schon heftig", dass die Grünen "mit dem am weitesten rechts stehenden CDU-Landesverband" jetzt eine Koalition anstreben. Die Partei hatte im Wahlkampf 2008 unter Roland Koch noch mit dem Slogan "Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommunisten stoppen" um Stimmen geworben.

Die Grünen wollen am Samstag über Koalitionsverhandlungen entscheiden. In Wiesbaden kam am Freitagnachmittag auch die Spitze der CDU zusammen. Als Knackpunkt zwischen beiden Parteien galt bisher der Umgang mit dem Frankfurter Flughafen. Während die Union mit wirtschaftspolitischen Argumenten für einen Ausbau zu überzeugen suchte, hatten die Grünen im Wahlkampf unter anderem die Ausweitung des Nachtflugverbots und einen Baustopp beim dritten Terminal gefordert. Seit der Landtagswahl Ende September hatte Bouffier sowohl mit SPD als auch mit Grünen Sondierungsgespräche geführt. Die schwarz-grünen Verhandlungen seien "im Ergebnis sehr vielversprechend" verlaufen, zitiert die "Rheinische Post" einen Teilnehmer. Die hessische SPD, die zuletzt ebenfalls auf eine Koalition mit der Union zugesteuert war, zeigte sich enttäuscht, aber nicht überrascht.
Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel sagte, CDU und Grüne hätten in zentralen Fragen eine größere politische Nähe. Die Meldung über den schwarz-grünen Kurs der Hessen-CDU hat auch bundespolitisch ein Echo ausgelöst – kommt die Meldung doch noch während der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen in Berlin und kurz nach dem Beschluss des SPD-Parteitags, künftig keine Zusammenarbeit mit der Linkspartei mehr auszuschließen. Vertreter der Union hatten darin ein Manöver der SPD vermutet, Druck auf die Gespräche zur Bildung einer Bundesregierung auszuüben. Als aus der Union daraufhin offensiv die Rede von Neuwahlen zu hören war, vor denen man sich nicht fürchte, hatten führende Grünen-Politiker ihrerseits erklärt, bei einem Scheitern der Gespräche von CDU, CSU und SPD die Tür zu Verhandlungen mit der Union offen zu halten. Hinzu kommt, dass seit einigen Tagen Berichte über Pläne die Runde machen, die so genannte Pizza-Connection von Politikern aus Union und Grünen durch einen neuen Gesprächskreis von etwa 30 Bundestagsabgeordneten abzulösen.

Das erste Treffen ist im Januar geplant. Es brauche in Koalitionen immer eine persönliche Basis und Vertrauen, weshalb man "auch mal gemütlich" ein paar Stunden miteinander verbringen müsse, sagte der CDU-Politiker Jens Spahn, der die Idee gemeinsam mit dem Grünen-Abgeordneten Omid Nouripour verfolgt.

Die Grünen-Politikerin Monika Lazar sagte gegenüber "nd", dass es bei den Grünen "Leute gibt, die mit Schwarz-Grün sympathisieren, ist bekannt". Wenn nun "die kalte Pizza wieder aufgewärmt werden soll und den ProtagonistInnen schmeckt, dann guten Appetit". Sie selbst werde der Gruppe nicht angehören, so die Leipziger Bundestagsabgeordnete, sie wolle sich weiter mit Politikern von SPD und Linkspartei treffen. "Denn zur Bundestagswahl 2017 sollte eine rot-rot-grüne Koalition möglich sein, darauf arbeiten wir hin." Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Stefan Liebich, sagte gegenüber dieser Zeitung, "da es nicht um Liebesbeziehungen geht, ist Eifersucht hier deplatziert." Der Außenpolitiker verwies darauf, dass nach dem Leipziger Beschluss der SPD Rot-Rot-Grün "nun auf Bundesebene 2017 oder früher ebenso eine Option wie Schwarz-Grün" sei. Es gehe in politischen Bündnissen aber "nicht um neue Freundschaften, sondern um gemeinsame Schnittmengen. Ob diese existieren, kann nur durch Gespräche herausgefunden werden".

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