Kicks mit rechts

Pressebericht, junge Welt, 20.07.2021

"Extremkampfsport": Bericht der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags belegt neonazistische Aktivitäten. Grünen-Politikerin fordert Regulierung und Prävention

Auf der Matte, im Ring oder im Käfig: Für extrem Rechte zählen »Mixed-Martial-Arts« (MMA) zu bevorzugten Vollkontaktsportarten. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags präsentierten hierzu am vergangenen Donnerstag eine Abschlussarbeit, die jW exklusiv vorliegt. Der Titel: »Die Extremkampfsportszene. Überblick, Organisation und Regulierung.« Auftraggeberin war die sportpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Monika Lazar.

Wichtig: Diese Sportarten sowie ihre Aktiven und Anhänger seien keinesfalls per se rechtsextrem, betonte Lazar am Montag gegenüber jW. Indes würden diese gleichfalls im neonazistischen Milieu betrieben. Und speziell hier werde »für den Straßenkampf und letztlich für den Umsturz trainiert«, so die Grünen-Politikerin weiter. Der Bericht für den Bundestag zeige einmal mehr, »dass zu wenig über die heterogene und auf dem freien Markt organisierte MMA-Szene in Deutschland bekannt ist«. Es brauche Lazar zufolge mehr Informationen, und Parlamentarier müssten sich verstärkt sportpolitisch »mit dem wachsenden Phänomen auseinandersetzen«.

In der Tat: Die Szenerie vor allem im MMA ist unübersichtlich. Mehrere Verbände auf Bundes-, aber auch lokaler Ebene konkurrieren untereinander. Verbandsstrukturen, Mitgliederzahlen, Regelwerke und Veranstaltungscharakter variieren. »Grund dafür ist die fehlende Einbindung in einen staatlich anerkannten Verband«, so die Autoren der Abschlussarbeit. Gefragt ist der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB). Der hatte aber bereits 2009 die Disziplin MMA nicht als Sportart anerkannt. Mehr noch: Der DOSB verurteilte MMA »sportethisch«, weil damit »sportimmanente Werte« pervertiert würden. Im selben Jahr hätte ferner die Sportministerkonferenz festgestellt, »dass MMA die gesellschaftlichen Wertvorstellungen von Fairplay, der Achtung des Gegenübers und der Unverletzlichkeit der Person missachte«.

Dennoch, Kommunikation gibt es. So trafen sich im Juli 2019 Vertreter des größten deutschen MMA-Verbands »German Mixed Martial Arts Federation« (Gemmaf) mit dem DOSB zu einer Art Meinungsaustausch. Eine Aufnahme in den Dachverband aber blieb bislang aus. Die Gemmaf positioniert sich offiziell »gegen Extremismus und Rassismus in der MMA-Szene« und setzt sich für ein einheitliches Regelwerk für die Ausübung von MMA ein. Mögliche Vorbilder seien Frankreich und die Niederlande. Dort konnte der »Extremkampfsportmarkt« mittels Wettkampfstandards und Lizenzierungsverfahren für Trainer »reguliert werden«, heißt es von den Wissenschaftlichen Diensten.

Neonazikampfsportler dürfte das kaum interessieren. Längst haben sie sich professionalisiert, Strukturen aufgebaut und Vereine gegründet wie »Knockout« aus Eisenach oder »Baltik Korps« aus Rostock. Mit internationalen Wettkampfturnieren, dem »Kampf der Nibelungen« im Thüringischen Ostritz oder dem »Tiwas« im sächsischen Erzgebirge etwa, ziehen die Veranstalter bisweilen Hunderte Besucher an. Dazu vertreiben sie passende Klamotten »szenetypischer« Sportlabels. Ein lukratives Business.

Was folgt aus alledem? Robert Claus, Ethnologe und Buchautor zum Thema, warnt: »Neonazis verbinden Kampfsport mit Wehrsport. Niemand sollte also dem Irrtum aufsitzen, ihre Gewalt bliebe im Sportraum«, sagte er im vergangenen Herbst in einem Interview mit jW. Deshalb fordert die Grünen-Politikerin Lazar »im Extremkampfsport umfassende Präventionsansätze gegen Rechtsextremismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit«. Dies habe sich im »klassischen« Verbandssport bereits gut etabliert. Auf den Punkt gebracht: Es gehe nicht darum, eine Sportart zu kriminalisieren, bemerkte Lazar, »sondern darum, Rechtsextreme aus ihr herauszuhalten«.

Autor:  Oliver Rast

[Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/406709.kicks-mit-rechts.html]