Ganz schön sportlich

Pressebericht, Lausitzer Rundschau, 09.02.2018

Die Große Koalition hat eine neue Zielgruppe für sich entdeckt - die Politik will Esports als Sportart anerkennen. Beim DOSB ist man darüber nicht so amüsiert. Der Verband fühlt sich übergangen.

Erst im vergangenen Jahr hat sich der Esports-Bund Deutschland (ESBD) gegründet. Ziel der Vereinigung war es, dem organisierten Daddeln zur Anerkennung als Sportart zu verhelfen. Nur ein Jahr später ist man diesem Status bereits erstaunlich nah gekommen. Die Politik in Berlin hat das Thema jedenfalls für sich entdeckt, und so ist im vorläufigen Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD dieses Vorhaben explizit festgehalten: Man wolle "Esports künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen". Man kann mitunter schon ein wenig erstaunt sein, welche Zielgruppen plötzlich in den Blick der Politik geraten, wenn es darum geht, sich als besonders hip zu inszenieren. Von Skepsis ist keine Spur mehr, in der "Groko" glaubt man erkannt zu haben, dass Esports "wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, sondern auch Training und Sportstrukturen erfordert".

Nun gibt es tatsächlich nur noch wenige hierzulande, die in Abrede stellen, dass Esports in die "Sport-Familie" aufgenommen werden sollte. Doch wann? Und von wem? Dieser Schritt obliegt eigentlich dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Doch die Dachorganisation wurde nicht mit eingebunden. "Dem Phänomen Esports stehen wir aufgeschlossen gegenüber. Allerdings muss es für eine anerkannte Sportart auch praktikable Lösungen für die - bisher fehlende - Vereinsstruktur geben", sagt Walter Schneeloch, Vize-Präsident des DOSB im Gespräch mit unserer Redaktion. Bislang hat man Esports die Aufnahme verweigert. Es wurde nun eigens eine Arbeitsgruppe gegründet, um über das Für und Wider zu beraten. Bisherige Einschätzung der Organisation: Eine Reihe von Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Der Dachverband des deutschen Sports verweist dazu auf seine Aufnahmeordnung. In der ist von einer "eigenen, sportartbestimmenden motorischen Aktivität", der "Einhaltung ethischer Werte" und eben "bestimmten Verbandsstrukturen die Rede". "Wir haben natürlich schon über die Aufnahme diskutiert. Wir haben nur ein Problem, wenn wir das machen, ist ein Grundsatz in Frage gestellt: Es geht uns darum, die Kinder und Jugendlichen in Bewegung zu bringen. Wir wollen sie vom Computer wegbringen. Sie müssten verantwortlich mit diesen neuen Medien umgehen und noch die Zeit haben, sich zu bewegen", sagt Schneeloch (70).

Im Sportausschuss des deutschen Bundestages gibt es erhebliches Unbehagen über den geplanten Umgang der Großen Koalition mit der Anerkennung von Esports als Sportart. "Die ,Groko' betreibt hier reine Symbolpolitik und eine Anbiederung an junge Wähler, statt den Ausbau der digitalen Infrastruktur insgesamt entschlossen anzupacken", sagt Britta Dassler, sportpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, im Gespräch mit unserer Redaktion. "So sehr die Förderung des Esports zu begrüßen ist, kann die Anerkennung nur im Konsens mit dem DOSB erfolgen. Wir sind gespannt auf die Umsetzung dieser Ankündigungen und werden diese kritisch begleiten."

Auch bei den Grünen ist man überrascht darüber, dass der DOSB nicht in den Prozess eingebunden wird. "Die Groko hat erkannt, dass Esports ein Zukunftsthema ist, so weit so gut", bekundet Monika Lazar, Sprecherin der Grünen im Sportausschuss. "Merkwürdig aber ist, dass die Groko Esports eigenständig als Sport anerkennen will. Die Anerkennung von Sportarten ist gemeinhin Angelegenheit des DOSB. Das ergibt sich aus der Autonomie des Sports."

Es gibt indes auch rechtliche Bedenken, gegen den Vorstoß der "Groko". "Der Plan kann verfassungsrechtlich problematisch sein. Regierung und Gesetzgeber haben die Verbandsautonomie zu beachten, die auch dem DOSB zusteht", erklärt der Kölner Richter Jan F. Orth, hierzulande einer der renommiertesten Sportrechtsexperten. "Regulatorische Eingriffe ohne oder gegen den DOSB, die Vergünstigungen für Esports zur Folge hätten, wie etwa die Partizipation an Wettbewerben oder Sportfördermitteln, die ansonsten an eine Mitgliedschaft im DOSB geknüpft sind, wären ein unzulässiger Eingriff in die Verbandsautonomie des DOSB. Andere Privilegien, wie beispielsweise steuerliche Vorteile - wie auch schon für den Schachsport, kann die Politik aber selbstverständlich vorsehen."

Autor: Gianni Costa

[ Quelle: www.lr-online.de ]