Besuch bei Amazon und ver.di in Leipzig und Diskussion zur Arbeitnehmerfreizügigkeit mit Beate Müller-Gemmeke

Veranstaltungsbericht, 14.04.2014

Am 27.03.2014 besuchte ich zusammen mit meiner Kollegin Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für ArbeitnehmerInnenrechte der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, und der sächsischen Landessprecherin Claudia Maicher den Leipziger Standort von Amazon.

Nach einer einführenden Präsentation und einem kurzen Gespräch mit dem Betriebsrat wurden wir durch das Werk geführt. Hier nutzten wir die Möglichkeit, Fragen zu den in der Öffentlichkeit umstrittenen Arbeitsbedingungen, dem Arbeitsschutz und zum Streit um den Abschluss eines Tarifvertrages zu stellen. Nicht nur im für Amazon sehr wichtigen Weihnachtsgeschäft 2013 kam es in diesem Zusammenhang zu mehrtägigen Streiks, auch in den letzten Wochen legten erneut 500 von 1200 MitarbeiterInnen ihre Arbeit nieder.

Trotz des wachsenden Unmuts der MitarbeiterInnen und des Drängens der Gewerkschaft Verdi auf eine tarifliche Bezahlung nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels lehnt die Betriebsleitung nach wie vor die Aufnahme von Tarifverhandlungen ab. Man ist der Auffassung, dass Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat ausreichen und keine Gespräche mit der Gewerkschaft erforderlich seien. Während der Führung wurde zudem mehrfach versucht, die These zu belegen, dass das Unternehmen zweifellos der – tariflich niedriger entlohnten – Logistikbranche zugehörig sei. Trotz dieses grundsätzlichen Dissenses war man um ein positives Außenbild des Unternehmens bemüht und stellte Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen in den Vordergrund. Der Konflikt um den Abschluss eines Tarifvertrages setzt sich momentan fort.

Wir halten die Tarifautonomie für ein hohes Gut. Nur mit einer starken Tarifpartnerschaft können anstehende Herausforderungen, wie etwa der Fachkräftemangel, gemeistert und unser Wohlstand dauerhaft erhalten werden. Aus diesem Grund unterstützen wir die Forderung der Gewerkschaft Verdi für einen Tarifvertrag.

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Am selben Abend haben wir anlässlich des Besuchs von Beate Müller-Gemmeke in Leipzig zu einer Gesprächsrunde zum Thema „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ eingeladen. Unter dem Titel „Willkommen in Sachsen?!“ diskutierten wir über die Arbeitnehmerfreizügigkeit für Bürgerinnen und Bürger innerhalb der EU-Staaten und die Auswirkungen auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Es war mir und meiner Kollegin Beate Müller-Gemmeke besonders wichtig, VertreterInnen von Arbeitsagentur, Jobcenter, IHK sowie dem Referat für Migration und Integration der Stadt Leipzig einmal zusammen zu bringen. Wir wollen mit unserer Diskussion auch dazu beitragen, dass Vorurteile zum Thema Migration, Arbeitsmarkt und Sozialsysteme abgebaut werden.

Das ursprünglich als Fachgespräch angelegte Treffen entwickelte sich zu einem regen Informationsaustausch zwischen den Gästen und uns Abgeordneten. Die geladenen Akteure stellten übereinstimmend und mit Bedauern fest, dass die Zuwanderung aus dem europäischen Ausland für Leipzig und mehr noch für die ländlichen Regionen Sachsens bisher kaum eine Rolle spielt. Neben einer vergleichsweise immer noch höheren Arbeitslosenquote und einem ungünstigerem Lohngefüge als in anderen Bundesländern scheint insbesondere die fehlende Willkommenskultur eine Ursache dafür zu sein, dass sich ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weniger für Stellen in Sachsen interessieren.

Der anwesende Wirtschaftsvertreter zeigte Schwächen bei der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit auf und räumte gleichzeitig auch Vorbehalte und Vorurteile bei vielen UnternehmerInnen ein. Insgesamt ging aus dem Gespräch hervor, dass es durchaus das Bestreben gibt, eine gute Zusammenarbeit von Stadt, Wirtschaft und Arbeitsvermittlung zu erreichen, was aber oft durch Probleme bei der Informationsweitergabe oder der Kommunikation erschwert wird. So erfuhr die Vertreterin der Stadt erst durch das Gespräch davon, dass Faltblätter und Broschüren des Jobcenters meist in mehreren Sprachen erhältlich sind. Sie berichtete zudem über Erfahrungen von MigrantInnen in Leipzig, die zunächst ohne Begründung und Termin beim Jobcenter abgewiesen wurden.

Solche und andere Diskriminierungen werden von populistischer Stimmungsmache gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Warnung vor einer angeblichen „massenhaften Einwanderung in die Sozialsysteme“ nur noch verstärkt. Dabei lassen sich diese Behauptungen weder durch Zahlen, noch aus der Praxis der eingeladenen Akteure belegen. Die am Abend des 27.3. in Leipzig gewonnenen Eindrücke und Zahlen bestätigt auch der gerade für Gesamtdeutschland vorgelegte Bericht des Staatssekretärsauschusses der Koalition.

Man versprach sich am Ende der Veranstaltung, auch über den Abend hinaus im Gespräch zu bleiben, um Probleme gemeinsam anzugehen und die Entwicklung einer Willkommenskultur voranzutreiben.


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