Rede: Schutz für Opfer rechter Gewalt

113. Sitzung vom 19.06.2015 - TOP 31 Schutz für Opfer rechter Gewalt

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich bin den Ausführungen des Kollegen Tempel sehr dankbar, weil er einige Beispiele aus der Praxis gebracht hat. Im Gegensatz dazu hatte ich bei der Rede des Kollegen Ulrich - die Nachbemerkungen haben es nicht besser gemacht - eher das Gefühl, wir leben in unterschiedlichen Welten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN - Alexander Hoffmann (CDU/CSU): Allerdings!)

Denn wir alle müssen konstatieren - das hat uns gerade auch die gemeinsame Arbeit im NSU-Untersuchungsausschuss gezeigt, und dort waren wir uns in vielen Fragen einig -, dass wir in unserem Land auf vielen Ebenen ein Problem mit Rassismus haben. Das zeigt sich im Alltag, und das reicht bis in die letzten Monate hinein. Die Aktivitäten von Pegida und Co. haben gezeigt, wie tief rassistische Einstellungen in der Gesellschaft verankert sind und wie viele verschiedene Erscheinungsformen es gibt. Rassismus ist nicht nur im Alltag verankert, sondern auch in staatlichen Institutionen. Sie sind nicht frei davon.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Gerade die Opfer des NSU hätten sicherlich davon profitieren können, wenn es schon damals auf Bundes- oder Landesebene so etwas wie einen unabhängigen Polizeibeaufragten gegeben hätte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Denn ich könnte mir durchaus vorstellen, dass dann manches, was wir heute zum Glück alle so bitter beklagen, anders gelaufen wäre.
Einige Beispiele: Ein Kriminalbeamter in der Zwickauer Polizeidirektion hat mehrfach fahndungsinterne E-Mails mit rassistischen Bemerkungen versehen und an seine Mitarbeiter weitergeleitet. Das Foto eines Dunkelhäutigen kommentierte er mit den Worten: "Der sollte sich mal die Hände waschen". Bei einem anderen ergänzte er die Frage, ob der Mann seine Frau oder Tochter auf den Strich schicke. Der Beamte ist vom Dienst suspendiert worden. Dazu mag es im Einzelfall kommen.

(Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU): Das hat ja funktioniert!)

- Ja, aber erst im Nachhinein.

(Günter Baumann (CDU/CSU): Das geht doch erst im Nachhinein!)

Aber es wäre früher möglich gewesen, wenn sich die Kollegen, die die E-Mail bekommen haben, sofort bei einer solchen unabhängigen Beschwerdestelle hätten melden können. Darum geht es.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Es geht darum, sofort zu reagieren. Das ist als Schutz der Polizisten gedacht. Ich glaube, das verstehen Sie aufseiten der CDU/CSU einfach nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wo immer Rassismus auftaucht, muss er geahndet werden.
Kollegin Mihalic hat gesagt, dass wir schon in den letzten Haushaltsberatungen Anträge dazu gestellt haben, weil wir das finanziell abgesichert wissen wollen. Nach dem NSU-Untersuchungsausschuss waren wir uns alle einig, dass sich Diskursfähigkeit und Fehlerkultur in den Behörden verbessern müssen.
Es gibt auch Beispiele dafür, dass die Polizei Bürger unangemessen behandelt. Im Zusammenhang mit den Protesten von Legida in Leipzig wurde meinem grünen Landtagskollegen Sebastian Striegel von der Polizei vorgeworfen, er habe einen Böller geworfen. Für diesen Vorwurf gab es weder Anhaltspunkte noch Zeugen. Trotzdem kam es zu Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft. Auch in einem solchen Fall könnte man sich direkt bei einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle beschweren.
Die Vorfälle, die wir immer wieder beobachten, passen nicht in das Bild einer Polizei, die unsere Grundrechte schützen soll.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Sie beschädigen das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheitsorgane. Aber dieses Vertrauen braucht die Polizei zur Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben. Deshalb fordern wir Grüne schon lange einen strukturierten Dialog zwischen Polizei und Zivilgesellschaft sowie einen unabhängigen Polizeibeauftragten.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Frau Lazar, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wendt zu?

Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Aber selbstverständlich.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Sie freut sich schon!)

- Weil ich schon weiß, was kommt.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn: Sie haben das Wort, Herr Wendt.

Marian Wendt (CDU/CSU):
Ich möchte ein paar Dinge klarstellen, weil die Zuschauerinnen und Zuschauer sonst den Eindruck bekommen könnten, dass wir in einem von Polizeigewalt geprägten Staat leben.

(Irene Mihalic (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie leben in einer Parallelwelt!)

Da Sie aus Leipzig stammen: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass in Leipzig alleine im letzten halben Jahr fünf spontane Gewaltaktionen gegen Polizei, staatliche Behörden, Gerichte und das US-Generalkonsulat stattfanden, dass dabei bis zu 600 vermummte Personen wie ein Mob vandalierend durch die Stadt gerannt sind und Bierfalschen und Steine geworfen haben, dass Polizisten verletzt wurden und dass es am Rande der Legida-Demonstrationen zu linksextremistischer Gewalt gegen die Polizei kam, oder wollen Sie das negieren?
Vielen Dank.

Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Am Rande von Legida kam es nicht zu den von Ihnen so genannten linksextremistischen Gewalttaten.

(Marian Wendt (CDU/CSU): Die Polizisten haben das selber erzählt!)

- Ich komme darauf noch zu sprechen. Hören Sie mir jetzt bitte erst einmal zu! Ich möchte hier eine Trennung vornehmen.
Zu den Vorfällen am Rande der Legida-Demonstrationen: Ich war dabei und habe beide Seiten   auch die Polizei   beobachtet. Am Rande der Legida-Demonstrationen kam es nicht zu den von Ihnen so genannten linksextremistischen Gewalttaten.

(Beifall des Abg. Harald Petzold (Havelland) (DIE LINKE))

Es war eher so, dass Legida-Teilnehmer Linke und auch Journalisten angegriffen haben. So viel zu diesem Fall.
Zu den von Ihnen erwähnten Gewalttätigkeiten: Ich glaube, hier sind wir uns einig. Ich finde, dass alle Vorkommnisse seit Anfang des Jahres absolut inakzeptabel sind; denn egal wer Gewalttaten verübt, für uns Grüne ist Gewalt kein Mittel der politischen Auseinandersetzung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Gewalt ist absolut abzulehnen. Gewalttaten sind extrem kontraproduktiv, weil man mit Gewalt nicht das erreicht, was man erreichen will. Vielmehr bringt man den Protest insgesamt in Misskredit.
Die Zahl der gewalttätigen Ausschreitungen in Leipzig hat sich zum Glück nicht erhöht. Die Zahl ist sicherlich noch immer zu hoch. Aber wir unterstützen so etwas auf keinen Fall. Wir sind uns einig, dass wir solche Gewalttätigkeiten ablehnen. Aber das eine hat mit dem anderen nur indirekt etwas zu tun. Wenn sich ein Polizist über einen Gewalttäter hätte beschweren wollen, dann hätte er sich auch bei einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle beschweren können. Das eine schließt das andere nicht aus.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN   Günter Baumann (CDU/CSU): Es gibt auch jetzt verschiedene Möglichkeiten, sich zu beschweren!)

- Natürlich, der Petitionsausschuss wurde schon angesprochen. Wir beide sind Mitglieder dieses Ausschusses und wissen, dass er eine Möglichkeit darstellt, sich zu beschweren. Es geht aber darum, eine weitere Beschwerdemöglichkeit zu schaffen. Kollegin Mihalic hat auf den Wehrbeauftragten Bezug genommen. Diesen wollen Sie auch nicht abschaffen.

Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass es darum geht, dass sich Menschen in unserem Land sicher und willkommen fühlen. Präventionsarbeit ist unverzichtbar. Wir müssen dort ansetzen, wo Rassismus und Diskriminierung beginnen, und nicht erst dort, wo es schon zu Eskalation und Gewalt kommt.

Gerade deshalb brauchen wir ein umfassendes Konzept zur Förderung der demokratischen Kultur in unserer gesamten Gesellschaft. Ich hoffe, da sind wir uns dann wieder einig.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

[Rede als PDF]