Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2016

194. Sitzung des Bundestages vom 30.09.2016, TOP 22

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2016
- Drucksache 18/9700 -

 

Monika Lazar:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Rassismus und Rechtsextremismus sind ein Problem im ganzen Land, deren Bekämpfung die Politik aller Ebenen als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen muss. Aber man muss auch benennen, dass es in Ostdeutschland, bezogen auf die Einwohnerzahl, im letzten Jahr fünfmal mehr rassistische Übergriffe gab. Deshalb ist es gut, dass im diesjährigen Bericht zum Stand der Deutschen Einheit der Rechtsextremismus als eines von drei zentralen Problemfeldern genannt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Ja, wir haben ein Rassismusproblem im Osten. Das sage ich gerade auch als sächsische Abgeordnete. Die Einschätzung im Bericht, Ostdeutschland werde nur als weltoffene Region Entwicklungschancen haben, wird am Beispiel von Dresden eindrucksvoll belegt: Der von Pegida angerichtete Imageschaden hat Tourismus und Wirtschaft beeinträchtigt, und die Zahl der Studierenden ist gesunken. Aber ganz unabhängig vom wirtschaftlichen Schaden ist entscheidend, dass das Problem "rechte Gewalt" überall endlich ernst genommen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Überall in unserem Land hat es 2015 einen dramatischen Anstieg von rechtsmotivierter Gewalt gegeben, aber besonders die Namen einiger sächsischer Orte sind nun bundesweit bekannt: In Heidenau, Freital, Meißen, Bautzen, Clausnitz und an anderen Orten ist die Situation eskaliert. Rassistinnen und Rassisten haben sich von verbalen Drohungen zu realen, teils lebensbedrohlichen Taten aufgemacht. Es scheint, als ob Teile der Gesellschaft besonders in Ostdeutschland Gewalt gegen Geflüchtete tolerieren und Anschläge auf Unterkünfte als legitimes Ziel der politischen Auseinandersetzung akzeptiert werden. Das dürfen wir nicht hinnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es nützt eben nichts, die Probleme zu ignorieren und diejenigen, die sich auch in schwierigen Gegenden für unsere Demokratie engagieren, als Nestbeschmutzer zu verunglimpfen, wie es leider immer noch passiert. Die Probleme müssen offen benannt werden, und die Engagierten müssen auch von der lokalen Politik ernst genommen und unterstützt werden. Die Verrohung und auch die immer niedrigere Hemmschwelle für Beleidigungen zeigen, wie tief die Gräben in unserer Gesellschaft geworden sind. Als Demokratinnen und Demokraten ist es unsere Aufgabe, für unsere Demokratie zusammenzustehen, statt nach rechts zu blinken; denn es bringt nichts, sich Rassistinnen und Rassisten anzubiedern. Die Wählerinnen und Wähler entscheiden sich zum Schluss ja doch für das Original. Gerade angesichts unserer eigenen Geschichte ist es unverständlich, dass es offenbar schwerfällt, Menschen, die in Not zu uns kommen, einen sicheren Platz zum Leben zu bieten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Ich hoffe, dass auch dieser Bericht ein Anlass ist, um das zu ändern. Auch der Feiertag am nächsten Montag wäre eine gute Gelegenheit, dass wir uns bewusst machen, dass Demokratie kein Automatismus ist - die Ostdeutschen unter uns wissen, wovon wir reden -, sondern dass wir uns alle täglich für unsere Gesellschaft engagieren und unsere freiheitlichen Errungenschaften verteidigen müssen. Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg. Daniela Kolbe (SPD))