Rede von Monika Lazar am 4. März 2010 zur Gleichstellungspolitik

Rede, 04.03.2010

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! "Frauen sind mehr wert." Dieses Credo haben sich mehrere europäische Länder auf die Fahnen geschrieben. In Norwegen müssen seit 2006 mindestens 40 Prozent der Sitze in den Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen von Frauen besetzt sein. Sanktionen bis hin zum Börsen­entzug sind dabei vorgesehen.

Auch in den Niederlanden gibt es eine Quotenregelung. In Belgien und in Öster­reich wird diese diskutiert, und in Frankreich hat eine entsprechende Initiative die erste parlamentarische Hürde genommen.Die schwarz-gelbe Bundesregierung nimmt sich an diesen Ländern kein Beispiel, obwohl sie nicht zu den politisch weit links stehenden gehören.

Die Führungspositionen in der deutschen Privat­wirtschaft sind nach wie vor fest in Männerhand. Das gilt auch für die Aufsichtsräte. In den 200 größten deut­schen Unternehmen liegt der Frauenanteil bei unter 10 Prozent. Den größten Teil hiervon stellen dann auch noch die Arbeitnehmervertretungen. Die Vereinbarung von 2001 zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den Arbeitgeberverbänden ist de facto gescheitert. Hier­mit sollte die Chancengleichheit von Frauen und Män­nern in der Privatwirtschaft gefördert werden. Passiert ist leider nichts. Das müssen wir wirklich schmerzhaft zur Kenntnis nehmen. Aber daraus lernen wir: Es ist Zeit für verbindliche Regelungen nach einem festen Zeitplan.

Frau Ministerin Schröder hat ja von der Quote als Brechstange gesprochen. Wenn wir das Wort schon ge­brauchen wollen, kann ich nur sagen: Manch einer merkt es vielleicht nicht ohne Brechstange. Wahrscheinlich ist jetzt die Zeit der Brechstange da.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Doch Union und FDP setzen weiterhin auf ein lahmes Pferd und halten unbeirrt an freiwilligen Selbstverpflich­tungen fest. Der vorgesehene Stufenplan ist unverbind­lich, beinhaltet keine festen Zeitvorgaben und sieht vor allem auch keine Sanktionen vor. Das ist nur Säbelras­seln mit stumpfen Waffen. Das spiegelt sich auch im An­trag der Koalition zu diesem Tagesordnungspunkt wider. Der Forderungsteil ist wachsweich und beinhaltet keine konkreten Maßnahmen. Für einen Antrag einer Regie­rungskoalition ist das wirklich peinlich; denn Sie sind doch jetzt an der Regierung und könnten das umsetzen, statt Prüfaufträge zu erteilen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Elke Ferner [SPD]: Ober­peinlich!)

Bündnis 90/Die Grünen fordern dagegen eine gene­relle Änderung des Aktiengesetzes. Wir wollen eine um­fassende Modernisierung der Unternehmensführung und -kontrolle. Frauen sollen zu mindestens 40 Prozent in den Aufsichtsräten vertreten sein. Ziel ist eine paritäti­sche Besetzung. Ähnliches fordert auch die SPD. Es ist allerdings wirklich traurig – das wurde ja vorhin auch schon angesprochen –, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, in den Jahren, als Sie an der Re­gierung waren – Sie waren ja noch mehr Jahre als wir an der Regierung –, nichts davon umgesetzt haben.

(Elke Ferner [SPD]: Wir haben Schwierigkei­ten gehabt mit unseren Koalitionspartnern! Das war auch mit Ihnen nicht ganz leicht!)

– Das gebe ich natürlich zurück. Es gab jemanden, der hieß Schröder, war männlich und hat sich in der Frauen- und Gleichstellungspolitik nicht mit Ruhm bekleckert.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Ulla Burchardt [SPD])

Der Antrag der Linksfraktion spiegelt leider nur all­gemeine Forderungen wider. Es ist richtig, Mindestlöhne und auch Verbesserungen bei den Minijobs, also in den unteren Bereichen, zu fordern. Da sind wir uns einig, auch wenn gewisse Differenzen bleiben. Allerdings habe ich in Ihrem Antrag Forderungen nach Veränderungen auch in den Führungsetagen vermisst. So etwas hätte ich mir gewünscht.

(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Ma­chen wir in einem anderen Antrag!)

– Dann machen Sie den anderen Antrag. Darauf warten wir.

(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Nein, der liegt vor!)

Ich denke, wir müssen neben Absicherung in den unte­ren Etagen auch dafür sorgen, dass sich etwas in den Führungsetagen ändert. Diese müssen endlich weibli­cher werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Diskriminierung von Frauen hat viele Verliererin­nen und Verlierer. Sie schadet den Unternehmen, der Wirtschaft und unserer Demokratie. In einer Pressemit­teilung des Deutschen Juristinnenbundes wurde das auf den Punkt gebracht. Darin heißt es, dass die Performance von Unternehmen, die Diver­sity leben, um vieles besser ist. Daher liegt die Er­höhung des Frauenanteils unmittelbar im Unterneh­mensinteresse.

Wir sollten es nicht länger hinnehmen, dass Bildungsin­vestitionen vergeudet werden, dass auf kreative Potenzi­ale verzichtet wird und die Chancen auf eine neue Dyna­mik im Arbeitsmarkt verschlafen werden.

Zum Schluss noch ein kleiner Hinweis auf den Lohn­unterschied, der, wie ja schon angesprochen wurde, bundesweit 23 Prozent beträgt. In Ostdeutschland ist dieser Unterschied geringer. Ein Grund ist unter ande­rem, dass Männer dort weniger verdienen. Mir fallen auch bundesweit einige Männer in Führungspositionen ein, die weniger verdient hätten. Vielleicht ist das ja auch ein Weg.

Vielen Dank.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)