Erweiterung Enquete Wachstum

Plenarrede Monika Lazar, Bündnis 90/ Die Grünen
am 07.07.2011 zu TOP 24


Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich, aber auch bezeichnend, dass unsere interfraktionelle Initiative zur Erweiterung der Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt in der Sozialen Marktwirtschaft“ offenbar rein gar nichts bewirkt zu haben scheint. In der Enquetekommission selbst war die Initiative seit der ersten Lesung überhaupt kein Thema, und auch im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung wurde über den Gruppenantrag nicht ernsthaft debattiert.

Die Gelegenheit, einen von allen Fraktionen gemeinsam begangenen Fehler wiedergutzumachen, ist somit ungenutzt geblieben. Ich kann nur wiederholen, was ich bereits in der ersten Lesung des Antrags gesagt habe:


Mit der Benennung von ausschließlich männlichen Sachverständigen hat sich keine der Fraktionen im Bundestag mit Ruhm bekleckert. Auch Bündnis 90/Die Grünen sind ihrem eigenen Anspruch, sich konsequent für die Gleichstellung von Frauen einzusetzen, an dieser Stelle nicht gerecht geworden. Das war ein Fehler und für uns wirkt dieser Fehler schwer, weil es zu unserem Selbstverständnis gehört, bei der Gleichstellung Vorbild und Vorreiter zu sein.

Auch inhaltlich spielt bei der Enquete die Genderperspektive eine gewichtige Rolle: So gehen beispielsweise die in der so genannten Care-Ökonomie hauptsächlich von Frauen erbrachten Leistungen bisher nicht in die Berechnung der Wirtschaftskraft eines Landes ein, was bei der Entwicklung einer neuen Messgröße für Wirtschaftswachstum berücksichtigt werden muss.

Meine Fraktion hatte den Missstand frühzeitig erkannt und sich für eine Erweiterung des Gremiums eingesetzt. Ein entsprechender Antrag im Ältestenrat zur Änderung des Einsetzungsbeschlusses war aber leider an den Koalitionsfraktionen gescheitert.



Die Union argumentiert, bei der Benennung der Sachverständigen habe man sich „an deren Sachkompetenz und nicht dem Geschlecht orientiert“. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es angeblich keine Frauen mit der entsprechenden Sachkompetenz gibt – ein Argumentationsmuster, das regelmäßig auch dazu dient, die gläserne Decke, an die Frauen in der Arbeitswelt stoßen, zu legitimieren. Ich spare es mir an dieser Stelle, die hinlänglich bekannten Zahlen zu nennen, möchte aber festhalten: Es gibt diese Frauen, man muss sie nur finden wollen. Weiterhin schmückt sich die Union mit der Nominierung einer weiblichen anstelle eines ausgeschiedenen Sachverständigen. Dazu nur soviel: Sie war ein kluger Schachzug der Fraktionsführung, um jene Unionsfrauen, die den Antrag ursprünglich mit tragen wollten, wieder einzufangen.

Die FDP behauptet, durch eine Erweiterung der Enquetekommission würde die bereits fortgeschrittene Arbeit zurückgeworfen, außerdem werde das „sinnvolle Gleichgewicht zwischen Sachverständigen und Abgeordneten einseitig zum Nachteil des Bundestages“ verschoben. Daraus spricht die Angst, die Sachverständigen könnten – wie es in einer anderen Enquetekommission kürzlich vorgekommen sein soll – nicht auf Linie derjenigen Fraktionen abstimmen, von denen sie benannt wurden.

Der Hinweis der SPD zum Bundesgremienbesetzungsgesetz ist richtig, denn wir sollten uns in unserem eigenen Einflussbereich ernst nehmen und mit gutem Beispiel voran gehen.

Mein Fazit: Es wäre ein wichtiges Signal an alle frauenpolitisch Engagierten gewesen, dass die Abgeordneten des Bundestages in der Lage sind, für ein wichtiges Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit über Parteigrenzen hinweg an einem Strang zu ziehen.

Aber die Möglichkeit, für die erfolgreiche Arbeit der Enquetekommission gemeinsam eine wichtige Voraussetzung zu schaffen, wurde aus parteipolitischen Erwägungen der Koalitionsfraktionen nicht genutzt.

Dieses Verhalten ist leider nicht überraschend, steht es doch exemplarisch für die Politik dieser Koalition. Gestaltungswillen und konsequentes Handeln sind von ihr nicht zu erwarten – am allerwenigsten in der Gleichstellungspolitik.

 

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