Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus, für Vielfalt und Toleranz
07. September 2006

Monika Lazar
Rede zu Einzelplan 17 – Thema Rechtsextremismus

Frau Präsidentin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich möchte mich in meinem Beitrag auf die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus, für Vielfalt und Toleranz beziehen.

Nach monatelanger Unklarheit, ob das Geld ganz gestrichen, gekürzt oder für neue Inhalte ausgegeben werden soll, blieb nun doch der Ansatz für dieses Jahr bestehen. Das ist erfreulich. Aber wie geht es weiter?

Ende 2006 läuft das Bundesprogramm Civitas nach einer 5-jährigen Modellphase aus. Diese Modellphase war ausgesprochen erfolgreich. Bürgerinnen und Bürger lernten in Projekten vor Ort, Zivilcourage gegen Nazis zu zeigen. Es gab Aufklärung u.a. an Schulen und in Behörden. Opfer rechtsextremer Gewalt bekamen endlich spezifische Hilfe. Viel Erfahrung und Fachwissen liegen jetzt vor. Der Bund ist nun in der Verantwortung, die gewachsenen Strukturen weiterhin zu unterstützen.

Bundesfinanzen zur Stärkung der Zivilgesellschaft sind im Entwurf 2007 wieder eingeplant, ohne Kürzung, aber unter neuem Namen. Die Tatsache, dass im Haushaltsentwurf 2007 das Wort "Rechtsextremismus" aus dem Programmnamen gestrichen wurde, ist ein falsches Signal. Die Probleme müssen auch weiterhin beim Namen genannt werden. Wir brauchen klare Aussagen, wogegen die Zivilgesellschaft in den Kommunen vorgehen soll: nämlich gegen Rechts-extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

Die entscheidende Frage ist: Für welche Projekte und auf welchem Wege soll dieses Geld ausgegeben werden? Dazu sind die Vorstellungen der Bundesregierung noch reichlich unkonkret. Was wird etwa aus den mobilen Beratungsteams, den Netzwerkstellen und Opferberatungsstellen, was aus Aussteigerprojekten wie EXIT?
Für sie geht die Zitterpartie weiter, auch wenn die gleiche Summe im Haushaltsplan steht wie zuvor.
Viele Träger sind stark verunsichert, müssen Büros schließen und sich arbeitslos melden.

Sollen sich die Rechtsextremen etwa freuen, wenn ab dem nächsten Jahr die Infrastruktur der engagierten Aufklärer wegfällt?
Das möchte ich nicht!

Natürlich müssen sich die Länder an der Finanzierung angemessen beteiligen. Leider tun dies immer noch nicht alle.
In Sachsen haben etliche Projekte Geld aus dem sächsischen Programm „Weltoffenes Sachsen“ erhalten, aber erst, nachdem diese durch das Bundesprogramm Civitas gefördert wurden.

Durch das neue Bundesprogramm, das Anfang 2007 beginnt, entsteht aber ein Übergangszeitraum. Dann wird es für die Projekte schwierig, da es Anfang des Jahres weder Zusagen von Bund noch vom Land gibt.
Diese Lücke muss noch geschlossen werden!

Auch beim Antragsverfahren sind Veränderungen angedacht. Künftig sollen nur noch die Kommunen Anträge auf Fördergelder stellen dürfen. Ich halte es für richtig, die Verantwortung der Kommunen stärker einzufordern.

Leider sind oft noch viele Kommunen und Landkreise Teil des Problems. Ihnen fehlt die Sensibilität für das Thema oder, schlimmer noch, sie teilen diese Ansichten.
Gerade dort ist aber die Arbeit gegen Rechtsextremismus nach wie vor notwendig.
Wenn jedoch freie Träger selbst keine Förderanträge mehr stellen können, besteht die Gefahr, dass sie zu Bittstellern werden.

Wir brauchen deshalb ein gemeinsames Antragsrecht auf Fördermittel für Kommunen und Träger vor Ort! Nur so können beide sich auf Augenhöhe gegenüberstehen. Nur so wird es auch inhaltliche Auseinandersetzungen geben, die gleichberechtigt ablaufen.

Es gibt in den Ländern und Kommunen viele Aktionen, um die Zukunft der Strukturprojekte abzusichern. Aktiv sind dabei Menschen quer durch alle demokratischen Parteien.
Die CDU-Landtagsfraktion von Mecklenburg-Vorpommern mahnt in einem Brief vom 15. August 2006 an Bundeskanzlerin Merkel – ich zitiere:
„Leider zeigt sich, dass die demokratische Grundordnung in unserem Land noch nicht tief genug verankert ist, als dass sie nicht doch noch ins Wanken geraten kann.“ – Zitatende.

Diese Warnung sollte auch die Bundesregierung ernst nehmen und den gefährlichsten Feinden unserer Demokratie – den Rechtsextremen – keinen Raum lassen. Zu diesem Kampf gehört, die Initiativen zu stärken, inhaltlich und finanziell.
In dem Brief heißt es weiterhin: Zitat:
„In den letzten Monaten hat die CDU-Landtagsfraktion mit unterschiedlichen Partnern eine Reihe kleinteiliger Veranstaltungen … organisiert. Dabei haben uns die kompetenten Mitarbeiter des Mobilen Beratungsteams … durch Detailkenntnis und Kompetenz geholfen. Wir halten deren Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern auch in der Zukunft für unerlässlich und wünschen uns, dass der Bund hier auch künftig seinen finanziellen Beitrag leistet.“ – Zitatende.

Eine Antwort hat die Bundeskanzlerin bisher nicht geschickt. Ich hoffe, sie will nicht abwarten, ob die NPD am 17. September in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einzieht, um dann hektisch zu reagieren. Und ich hoffe, die Bundesregierung findet rechtzeitig Lösungen für die Strukturprojekte, damit sie sich ganz auf ihre eigentliche Arbeit konzentrieren können und nicht länger als Bittsteller von Tür zu Tür laufen zu müssen. Soviel sollte auch der Bundesregierung unsere Demokratie wert sein!

Alle Bürgerinnen und Bürger müssen sich für unsere Demokratie engagieren – auch die Politik muss ihre Aufgaben dabei erledigen.
Wir haben jetzt die Chance, Zivilcourage nicht nur moralisch, sondern auch finanziell zu unterstützen!

Hintergrunddaten: Haushaltstitel
Einzelplan 17 - Programme gegen Rechtsextremismus

bis zum Jahr 2005
3 Haushaltstitel:
Förderung von Modellprojekten zur Beratung, Ausbildung und Unterstützung von Initiativen gegen Rechtsextremismus in den neuen Bundesländern (erster Civitas-Titel für die mobile Beratung)
 
Förderung von Modellprojekten zur Beratung von Opfern bzw. potentiellen Opfern rechtsextremer Straf- und Gewalttaten in den neuen Bundesländern (zweiter Civitas-Titel für die Opferberatung)
 
Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus (entimon-Titel)

im Jahr 2006
2 Haushaltstitel:
Maßnahmen zur Unterstützung des zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in den neuen Bundesländern (beide Civitas-Titel zusammengefasst)
    
Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus (entimon-Titel)

im Entwurf fürs Jahr 2007
1 Haushaltstitel:
Maßnahmen zur Stärkung von Vielfalt, Toleranz und Demokratie (Civitas- und entimon-Titel zusammengefasst)

 

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