20. Februar 2006
Michael Wallies, Praktikant bei Monika Lazar, hatte Gelegenheit, die Politikerin bei ihrem Besuch in Leisnig/Klosterbuch und Gesprächen mit dem Verein Be-Greifen e.V., dem Bürgermeister von Leisnig, Herrn Stephan, sowie Jugendlichen anläßlich von Eskalationen zwischen linken und rechten Jugendlichen vor Ort zu begleiten.


Ein Nachmittag in Leisnig.
Ein Bericht des Praktikanten Michael Wallies

14.00 Uhr Treffpunkt Leipziger Hauptbahnhof.

Ich treffe Monika Lazar am Leipziger Hauptbahnhof. Von dort geht es mit der Regionalbahn nach Leisnig/Klosterbuch. Ich absolviere gerade ein Praktikum bei Monika im Bundestag. Der Termin in Leisnig ist besonders interessant, da es heute nach zwei langen Sitzungswochen in Berlin endlich in die „reale Welt“ geht. Ich bin gespannt, was wir von den unterschiedlichen Personen, die ich bislang nur aus dem Briefverkehr kannte, zu hören und zu sehen bekommen. Vor einigen Monaten nutzte die NPD eine kleine Kneipe im Leisniger Ortsteil Klosterbuch, um eine Ortsgruppe für ihre Jugendorganisation JN zu gründen. Daraufhin kam es dort zur Eskalation zwischen Linken und Rechten.
Der Verein Be-Greifen e.V. will sich vor Ort gegen Extremismus engagieren. Beim Gemeinderat und beim Bürgermeister trifft der Verein allerdings nicht gerade auf offene Ohren und Arme. Aus Sicht des Bürgermeisters Heiner Stephan gibt es in Leisnig kein Problem mit Rechtsextremismus. Nachdem Monika Lazar von Frau Elsbeth Pohl-Roux, der Vorsitzenden der Be-Greifen e.V., eingeladen wurde, hatte sie auch den Bürgermeister informiert.

Mit etwas Verspätung kommt die Regionalbahn gegen 15.30 Uhr am Klosterbucher Bahnhof an. Frau Pohl-Roux und Herr Bädermann vom Verein Be-Greifen e.V. begrüßen uns trotz des trüben Wetters herzlich. Direkt nach der Ankunft besichtigen wir das alte leer stehende Bahnhofsgebäude. Der denkmalgeschützte Bau soll die neue Heimat des Vereins werden. Hier möchte Frau Pohl-Roux eine Perspektive für die Jugendlichen aus sozialen Randgruppen aus Leisnig schaffen. Die Vereinsvorsitzende wirkt entschlossen, zugleich auch entspannt. Sie will hier zusammen mit den jungen Leuten der Stadt etwas aufbauen um ihnen eine Perspektive zu geben. Der Verein Be-Greifen e.V. arbeitet seit einigen Jahren erfolgreich insbesondere mit behinderten Menschen. Mit unterschiedlichen Partnern bekommen junge Menschen die Chance für eine Ausbildung im Bereich der Telekommunikation, sowie der Integration in die Arbeitswelt. Durch die jahrelange Netzwerk-Arbeit von Frau Pohl-Roux bestehen für die hier ausgebildeten Menschen tatsächlich gute Chancen am Arbeitsmarkt.

Runder Tisch
Diskussionsrunde im Clubraum Be-Greifen e.V.

Gegen 16 Uhr kommen wir in den momentanen Vereinsräumlichkeiten, einige hundert Meter vom Bahnhof entfernt, an. Hier lernen wir auch Karsten Fischer kennen, der in einer WG in der Chemnitzer Straße in Leisnig wohnt. Die WG wurde in der letzten Zeit mehrfach Opfer von Attacken junger Rechter aus Leisnig. Die Haustür wurde eingetreten und zuletzt wurde bei Karsten die Scheibe eingeworfen. Bei der Gemeinde hat die WG bislang keinen guten Ruf. Dabei handelt es sich lediglich um junge Leute, die nicht ganz den hiesigen Vorstellungen von „Sauberkeit und Ordnung“ entsprechen, wie sich später herausstellt. Bunte Haare scheinen hier noch ein Anblick zu sein, an den man sich nicht gewöhnen will und kann. Zudem wurde die WG vor einiger Zeit Opfer einer Polizei-Razzia, die viele Fragen über das hiesige Rechtsverständnis aufkommen lässt. Der zurückhaltende Karsten Fischer hinterlässt jedenfalls nicht den Eindruck, bei dem sich vermuten ließe, dass es sich bei der WG um eine Keimzelle gewaltbereiter Extremisten handelt. Vielmehr scheint er auf der Suche nach einer Perspektive für sein Leben in Leisnig zu sein. Das Bahnhofsprojekt könnte eine Chance für ihn sein.

Kurz darauf geht es nach Leisnig. Dort treffen wir in der „Station junger Forscher“ den Bürgermeister Herrn Heiner Stephan und Frau Christine Krause vom Förderverein für Kinder- und Jugendfreizeit. Herr Stephan schildert die Begebenheiten in „seiner“ Gemeinde. Die Sicht scheint hier definitiv eine andere zu sein, als die zuvor von Frau Pohl-Roux gehörte. Er spricht zwar auch von Problemen, diese sind allerdings anderer Natur. Um das Thema Rechtsextremismus geht es im Gespräch nicht wirklich. Vielmehr wird versucht aufzuzeigen, welche Einrichtungen es in der Stadt gibt, sowie welche Probleme sich hier ergeben. Für Jugendliche bietet die Stadt, neben der „Station junger Techniker“ für die Jüngeren, auch ein „Alternatives Jugendzentrum (AJZ)“. Die Kindereinrichtung wird uns daraufhin von Frau Krause kurz vorgestellt. Auch die benachbarte Schule und das dazugehörige Lese-Café besichtigen wir kurz. Die Befürchtungen, dass die Fronten zwischen Be-Greifen e.V. und Stadt-Verwaltung total verhärtet sind, bestätigten sich zum Glück nicht. Es bleibt der Eindruck, dass die Zwei sachbezogen miteinander reden können.

Kurz darauf trennen wir uns vom Bürgermeister und besichtigen die WG in der Chemnitzer Straße. Hierbei handelt es sich eigentlich um eine typische Wohngemeinschaft. In einer Stadt wie Leipzig sicher nichts Ungewöhnliches. Hier leben drei junge Leute, die sicher wenig mit dem aufstrebenden New-Economy-Nachwuchs zu tun haben. Die Einrichtung ist nicht gerade exklusiv, aber die drei scheinen sich Mühe zu geben, dass es Stück für Stück wohnlicher wird. Nachdem sie im letzten Sommer noch etwas stürmischer ihre erste eigene Wohnung gefeiert haben, ist es in der WG nach eigener Aussage ruhiger geworden. Wie Monika später meint, fast schon einen Tick „konservativ“. Die Haustür, die bei einem unfreiwilligen „Besuch“ durch rechtsgesinnte Jugendliche eingetreten wurde, ist zugenagelt. Zudem ist bei Karsten die Fensterscheibe, die vor kurzem eingeworfen wurde, bislang nur notdürftig geflickt. Hier muss er schnell eine Lösung finden. Der Zeitplan ist knapp und so geht es zügig weiter.

Gespräche  Gespräche
Jugendliche der Wohngemeinschaft Chemnitzer Straße im Gespräch mit Solvejg Höppner vom mobilen Beratungsteam
Gespräch in der "Station junger Techniker", Heiner Stephan, Christine Krause, Elsbeth Pohl-Roux, Monika Lazar
(rechts)

Gegen 18 Uhr kommen wir im AJZ an und stellen fest, dass die Clubratsmitglieder schon zu Be-Greifen e.V. unterwegs sind. Das Jugendzentrum macht einen guten Eindruck. Hier scheint die Welt in Ordnung zu sein. Die Räumlichkeiten bieten einen Veranstaltungsraum mit Bar, sowie Proberäume. Das AJZ hat sich in den letzten Jahren gut organisiert und auch mit der Stadt arrangiert. Wir gehen eine Runde durch die Räume und schon sind wir unterwegs zurück nach Klosterbuch.

Dort sind im Clubraum bereits alle Plätze besetzt. Schnell werden noch einige Stühle organisiert. Der Besuch von Monika Lazar scheint einiges in Bewegung gesetzt zu haben. Nachdem beim ersten Treffen wohl noch unsachlich und emotional aufgeladen diskutiert wurde, bewegt sich die Diskussion auf einem sehr ordentlichen Niveau.

Ziel des Zusammentreffens ist ein gemeinsames Forum für demokratisches Miteinander gegen Extremismus zu initiieren, welches eine zivilgesellschaftliche Schutzglocke für Leisnig bilden soll. Die Meinungen der Beteiligten sind unterschiedlich, allerdings wird im Rahmen der Diskussion klar, dass man in Leisnig durchaus miteinander reden kann. Monika bleibt in der Diskussion zurückhaltend. Sie zeigt anfangs ganz klar ihre Position und warnt später vor den Gefahren des modernen Rechtsextremismus, den man nicht mehr unbedingt sofort erkennt.

Gerade ihre positive Einschätzung der Wohngemeinschaft in der Chemnitzer Straße wird interessiert wahrgenommen. Den Jugendlichen, die dem anwesenden stellvertretenden Bürgermeister anfangs „ein Dorn im Auge“ zu sein scheinen, öffnet dies eindeutig die Türen für ein offenes und ehrliches Gespräch. Bislang scheint von der Seite großer Teile des CDU-dominierten Gemeinderates die Meinung zu bestehen, dass die Gefahren „für Recht und Ordnung in Leisnig“ eher am linken Rand liegen, was im Laufe der Diskussion zum Glück eindeutig revidiert werden kann. Insbesondere die Ausführungen und Erfahrungen von Solvejg Höppner vom mobilen Beratungsteam helfen der Diskussion an dieser Stelle kompetent weiter.

So wird vieles offen angesprochen, was sonst sicher unter den Tisch fällt. Nach fast zweistündiger Debatte ist eine der ersten bergigen Etappen für das gemeinsame Forum in Leisnig geschafft. Die WG aus der Chemnitzer Straße wird vom Ältesten-Rat der Stadt zum Gespräch eingeladen. Weitere Treffen und Aktionen des Forums sollen folgen. Der Verein Be-Greifen e.V. will beim demokratischen Forum weiterhin aktiv bleiben, aber stets offen für engagierte Leisniger sein. Die Federführung möchte Frau Pohl-Roux hier gar nicht für sich beanspruchen. So wird das nächste Treffen auch in den Räumlichkeiten des AJZ stattfinden. Die unterschiedlichsten Veranstaltungen werden geplant. Besonders positiv anzumerken ist, dass an diesem Abend generationsübergreifend miteinander gesprochen wurde.

Wir müssen dann zügig los, um den nächsten Zug zurück nach Leipzig zu schaffen. Der Besuch lässt viele Fragen offen, aber das erste Gefühl bei der Abreise ist durchaus ein gutes.

Michael Wallies

 

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