Die TAZ vom 26.04.2007

Zu rechts fürs Anti-rechts-Programm
Die Region Anklam, in der die NPD zuletzt Rekordergebnisse einfuhr, soll bei der neuen Demokratieförderung des Bundes leer ausgehen. Weil die Lokalpolitik als Teil des Problems gilt, will das Land lieber externe Fachleute nach Vorpommern schicken
AUS BERLIN ASTRID GEISLER

In der Gegend um Anklam holte die NPD bei den Landtagswahlen im vergangenen Herbst mehr Stimmen als je zuvor in irgendeiner Region der Republik. Doch just dieser Landstrich fehlt auf der Liste der 90 Gemeinden und Landkreise, die das Bundesfamilienministerium nach monatelangen Beratungen für die Teilnahme am neuen Bundesprogramm gegen rechts ausgewählt hat. Weder der Antrag des Kreises Ostvorpommern noch jener der Stadt Anklam fand die Gunst der Auswahlkommissionen in Berlin und Schwerin, obwohl in einigen Gemeinden dieser Region bis zu 38 Prozent der Wähler für die Rechtsextremen votierten.

Stattdessen kommen in Mecklenburg-Vorpommern künftig zehn andere Kommunen und Landkreise in den Genuss von jeweils bis zu 100.000 Euro für Projekte gegen rechts. Dieses Ergebnis verwundert auch Fachleute, die sich mit der neuen Förderstrategie der Bundesregierung befasst haben.

"Mir ist schleierhaft, wer das so entschieden hat", sagte der Koordinator der Mobilen Beratungsteams im Nordosten, Karl-Georg Ohse, der taz: "Die Kriterien erschließen sich mir nicht ganz." Auch die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) findet das Votum schwer nachvollziehbar. Die Ablehnung der Problemregion sei "das falsche Signal" an die dort lebenden Menschen, fürchtet sie. "Mit dieser Entscheidung stärkt man doch die rechtsextremen Kameraden."

Doch die Entscheidung gegen Lokalprojekte im Anklamer Raum fiel offenbar nicht am grünen Tisch im Familienministerium von Ursula von der Leyen (CDU) in Berlin, sondern auf Drängen von Fachleuten aus Mecklenburg-Vorpommern. Im ersten, von Berlin erstellten Ranking hatten die Anträge von Stadt und Landkreis Anklam noch auf vorderen Plätzen rangiert. Zu diesem Ranking durften die Länder Stellung nehmen. Nun sind beide Bewerber nicht mehr dabei.

Zu den Gründen der Kehrtwende zu Lasten der NPD-Hochburg äußert sich das Schweriner Sozialministerium wolkig. Sprecherin Nicolette Otto sagt, eine wichtige Rolle habe für die Landeskommission auch die Frage gespielt: "Wenn eine Kommune Geld bekommt, was passiert dann dort damit? Gibt es kompetente Strukturen, die zügig mit der Arbeit loslegen können?"

Was die Kommissionsmitglieder tatsächlich bewog, gegen die Förderung der Problemregion zu plädieren, will niemand öffentlich sagen. Kein Wunder, denn es ist eine bittere Diagnose: Die NPD-Hochburg gilt als Gegend, wo die Lokalpolitik nach wie vor Teil des Problems ist. Daher fürchteten Fachleute, das Fördergeld könne bei den örtlichen Verantwortlichen in den falschen Händen liegen.

Kritiker des neu gestalteten Bundesprogramms hatten vor ebendiesem Effekt im vergangenen Jahr gewarnt: Gerade in den besonders betroffenen Regionen fehle den Kommunalpolitikern oft das Problembewusstsein. Wer ihnen das Fördergeld in die Hand gebe, mache den Bock zum Gärtner.

Das Schweriner Sozialministerium versichert nun, die Region Anklam werde trotz allem nicht leer ausgehen. Denn das Land plane eigene Förderprojekte. Diese sollten besonders in jenen Gegenden angesiedelt werden, die beim Bundesprogramm nicht zum Zuge kamen. Geplant seien unter anderem "Regionalzentren", in denen die Arbeit der Mobilen Beratungsteams fortgeführt werde.

Hinter vorgehaltener Hand wird bereits getuschelt, Anklam solle nun Sitz eines solchen Regionalzentrums werden. So könnten Fachleute von außen dort bei der Demokratiearbeit helfen. Von der Idee weiß auch der Koordinator der Beratungsteams. Ohses Kollegen sitzen bisher in der Unistadt Greifswald. Einen Umzug hält er für Unfug. Die Mitarbeiter könnten schließlich nicht die Arbeit der lokalen Verantwortlichen übernehmen, sondern sollten sie beraten. Zudem lehre die Erfahrung, dass Akteure von außen in den Problemregionen oft abgelehnt würden.

taz Nr. 8260 vom 26.4.2007, Seite 7, 138 TAZ-Bericht ASTRID GEISLER

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