Hamburger Abendblatt, 17.03.2009

Jeder siebte Jugendliche ist ausländerfeindlich - Winnenden nicht repräsentativ
Studie unter Schülern: Rechtsextremismus nimmt zu, Gewalt ab

Die Anzahl rechtsextremistischer Jugendlicher in Deutschland ist erschreckend hoch: 4,9 Prozent der 15-jährigen Jungen sind Mitglied in einer rechtsextremistischen Kameradschaft oder Gruppe. Das zeigt eine neue Studie, die jeden fünften Jungen und jedes zehnte Mädchen in der neunten Klasse als "sehr ausländerfeindlich" einstuft. Positiv: Die Gewalt unter deutschen Schülern nimmt ab.
Rechtsextremisten finden in Deutschland unter Jugendlichen immer mehr Anklang. Eine Studie fand heraus, dass jeder siebte Jugendliche ausländerfeindlich ist.

Den vermeintlichen Rechtsruck, der aus der Studie des Kriminologischen Instituts Niedersachsen (KFN) hervor geht, nannte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble erschreckend. Nun müsse der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden. Es sei völlig inakzeptabel, dass manchernorts die Rechtsextremisten die besten Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche bieten, so der CDU-Politiker.

Verwundert über diesen Vorstoß Schäubles war die Rechtsextremismus-Expertin der Grünen im Bundestag, Monika Lazar. "Schließlich hat die CDU/CSU die Bundesprogramme gegen Rechtsextremismus verschlechtert und so eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit dem Problem erschwert", griff sie die Partei des Innenministers scharf an und forderte dazu auf, den Jugendlichen demokratische Vorbilder zu bieten.

Die Studie hatte auch ein erfreuliches Ergebnis: Die Gewalt unter deutschen Schülern stagniert, sinkt sogar leicht. "Ermutigende Verbesserungen" nannte Schäuble diese Beobachtung und äußerte sich in dem Zusammenhang auch zum Amoklauf von Winnenden mit 16 Toten: Der sei weder repräsentativ noch typisch für Jugendgewalt in Deutschland. Dennoch wolle die Bundesregierung die Geschehnisse überprüfen und die nötigen Konsequenzen ziehen. Ein Verbot von Schusswaffen in Privathaushalten lehnte Schäuble, der zugleich Sportminister ist, ab. Man sollte sich vor vorschnellen Schüssen und "Verallgemeinerungen" hüten.

Zwischen 2007 und 2008 befragte das Kriminologische Institut Niedersachsen 44.610 Schüler aus 61 repräsentativ ausgewählten Landkreisen, das Durchschnittsalter war 15. Die Quote der Jugendlichen, die im Jahr vor der Befragung mindestens eine Gewalttat begangen hatten, ist in keiner Stadt gestiegen, im Schnitt sogar um sieben Prozent gesunken. Das ergab ein Vergleich von acht Städten zwischen 1998 und heute.

Dass die Polizei steigende Jugendgewalt meldet, sei zu diesen Ergebnissen kein Widerspruch, so die Forscher. Die steigende Gewalt unter Jugendlichen könne schließlich nur aufgrund einer höheren Bereitschaft zu Anzeigen bemerkt werden. Die hätte sich die Polizei in Schulen erfolgreich erarbeitet.

Der Grund für die offenbar sinkende Jugendgewalt ist für den Leiter des Forschungsinstituts, Christian Pfeiffer, in den Familien zu finden: Dort sei die familiäre Gewalt gesunken und damit ein starker Auslöser für Gewalttätigkeiten von Jugendlichen weggefallen. Der Wissenschaftler lobte außerdem, dass in den Schulen neben der höheren Bereitschaft zur Anzeige eine neue "Kultur des Hinschauens" herrsche. Auch die Akzeptanz von Gewalt habe abgenommen.

Gleichfalls kritisierte der Kriminologe Pfeiffer Medienberichte über einen drastischen Anstieg der Jugendgewalt: Die Anzahl meldepflichtiger Zwischenfälle, bei denen ein Arzt verletzten Schülern helfen musste, sei zwischen 1997 und 2007 um 31,3 Prozent gesunken. Die Statistik der Mehrfachtäter führen Jugendliche aus dem ehemaligen Jugoslawien vor jungen Türken an. An letzter Stelle stehen deutsche und asiatische Jugendliche. Unterschiede gleichen ich laut Pfeiffer jedoch aus, würde man nur Jugendliche aus demselben sozialen Umfeld vergleichen.

 

 

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