''Da fehlt ein Drittel des Geldes''
Die Gelder für das Nachfolgeprogramm von CIVITAS werden um ein Drittel gekürzt, stellen die GRÜNEN fest und befürchten eine ''Trendwende''

Interview mit Monika Lazar: Holger Kulick auf www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

''Ich sehe keine Verstetigung, nur eine Fortsetzung auf niedrigem Niveau'', sagt die Rechtsextremismus-Expertin der Grünen im Bundestag, Monika Lazar. Bei den neu angedachten Bundesförderprogrammen gegen Extremismus hält sie inhaltliche und finanzielle Nachbesserungen für unerlässlich, sonst würde auch der CDU-Koalitionspartner SPD ''an Gesicht verlieren''.

FRAGE: Frau Lazar, im schwarz-roten Koalitionsvertrag steht: „Wir wollen den Kampf gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, für Demokratie und Toleranz fortführen und auf Dauer verstetigen". Können Sie inzwischen erkennen, dass das auch so umgesetzt wird?

MONIKA LAZAR (GRÜNE): Leider nur in Ansätzen. Schon beim Betrachten der Zahlen merkt man, dies ist keine Verstetigung ist, sondern eine Fortführung auf niedrigerem Niveau. Wir haben gerade aus dem Familienministerium die aktuellen Angaben für den Haushalt erhalten. Unter rot-grüner Regierung wurden wenigstens 19 Millionen Euro für die noch bestehenden Bundesförderprogramme gegen Rechbtsextremismus angesetzt. 10 Millionen für ENTIMON und 9 Millionen für CIVITAS. Künftig soll ENTIMON als jugendpolitisches Programm offensichtlich weiterhin mit jährlich 10 Mio € ausgestattet bleiben. Aber laut Finanzplanung sind 2007 im bisherigen CIVITAS-Haushalt - wie auch immer das Programm dann auch heißen oder aussehen mag - nur noch sieben Millionen Euro vorgesehen und für die Folgejahre je sechs Millionen. Sechs statt neun. Eine Zunahme ist das nicht. Da fehlt ein Drittel des Geldes.

Sehen Sie sich da getäuscht, was das Versprechen der Verstetigung betrifft?

Ob das jetzt Täuschung ist, weiß ich nicht, irreführend ist es allemal. Wahrscheinlich denkt die Bundesregierung, bzw. das Familienministerium, Verstetigung heißt, ich führe das Programm zu Ende und gucke erst zweitrangig auf das Geld. Dazu kommt, dass für zu fördernde Projekte in diesem Jahr voraussichtlich erst ab Mai beantragte Gelder gezahlt werden können. Die ersten vier Monate werden weggespart, also von Verstetigung keine Spur, einfach auch geschuldet der Tatsache, dass der Haushalt noch nicht verabschiedet wurde, so dass natürlich die Monate vergehen, und Projekte mangels Zukunftssicherheit nicht richtig arbeiten und planen können. Und das heißt, bestimmte Projekte mit erarbeiteten Kompetenzen fallen sozusagen aus diesem Grunde einfach weg. Wenn ich dazu noch bedenke, wie das Programm künftig inhaltlich aufgesplittet werden soll, Linksextremismus und religiöser Extremismus kommen als Aufgabenbereiche dazu, ohne dass sich die Zuwendungen erhöhen, fehlt mir jedes Verständnis.

Wenn diese neuen Aufgabenbreiche noch dazu kommen, aber die Gesamtfördersumme, wie Sie sagen, sogar sinkt, liegt es dann jetzt nicht an der Opposition zu sagen, da muss dringend aufgestockt werden?

Tun wir schon. Als uns vor ca. 10 Tagen der Haushaltsentwurf kenntlich gemacht wurde, haben wir auch entsprechend reagiert. Aus unserer Sicht reicht das neue Konzept nicht aus – weder finanziell noch inhaltlich, da muss was geändert werden. Wir werden auch im Bundestag dafür sorgen, dass das publik wird. Ende März beginnen die Haushaltsverhandlungen in den Ausschüssen und für unsere Fraktion kann ich sagen, dass ich mich bereits mit der zuständigen Haushälterin in Verbindung gesetzt habe, um ihr anzukündigen, dass sie von mir die inhaltliche Unterfütterung bekommt, mehr Geld in diesem Jahr und auch perspektivisch für das nächste Jahr einzufordern. Ich setze dabei auch auf die SPD als Koalitionspartner, dass sie das so nicht akzeptiert und ihr Gewicht in die Waagschale wirft. Sonst würde sie angesichts ihrer Wahlkampfversprechen in dieser Frage an Gesicht verlieren.

Verblüfft Sie das, dass die SPD als Koalitionspartner das erst mal so hingenommen hat?

Nein, ich hoffe, die haben das nicht hingenommen. Es ist ja so, dass das Familienministerium von SPD auf CDU gewechselt hat. Und ein CDU-geführtes Ministerium plant natürlich erst einmal so, wie sie es für richtig und notwendig halten, so ist das auch in den anderen Ministerien, und von daher hat es die SPD-Fraktion wahrscheinlich auch erst vor Kurzem so detailliert erfahren. Jetzt müssen sie eben auf Koalitionsebene versuchen, da mächtig gegenzusteuern. Da aber die SPD den Finanzminister stellt, sollte dieses Polster doch wahrlich aufgebessert werden können, letztlich hat er den Hut auf.

Zu dem, was Sie inhaltlich kritisieren. Wo sehen die GRÜNEN vor allem Korrekturbedarf?

Bisher wurde das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gefördert. Die Schwerpunkte verlagern sich jetzt. Ursula von der Leyens Staatssekretär Kues hat bekanntlich angekündigt, dass sein Ministerium nicht mehr nur gegen Rechtsextremismus einschreiten will, sondern ebenfalls gegen Linksextremismus und den radikalen Islamismus. Das kann die Bundesregierung natürlich tun, aber dann soll sie doch bitte dafür die Mittel aufstocken oder andere Programme auflegen bzw. andere Haushaltsstellen belasten. Sonst handelt es sich zweifelsohne um eine unnütze Kürzung in dem Bereich, um den es eigentlich geht: die Bekämpfung von Rechtsextremismus.
Ich kann außerdem öffentlich keine wahrnehmbare Gefahr von Linksextremisten erkennen, die unsere Gesellschaft bedrohen. Wenn der Staatssekretär nun sagt, wir müssen etzt auf diesem Gebiet auch vorbeugend forschen und uns auf den aktuellen Stand bezüglich Linksextremismus bringen, kann ich nur sagen: der Verfassungsschutz tut das jedes Jahr und blickt sehr kritisch auch auf die linke Seite. Und wenn ich dann betrachte, was dort alles unter Linksextremismus aufgeführt wird, ist das nach wie vor natürlich die PDS, die Antifa, dann sind das Castor-Gegner, also die Anti-Atomkraftbewegung und Anti-Globalisierungskräfte, die bereits mit unter Linksextremismus-Verdacht fallen. Dabei geht es denen gar nicht um ein anderes System, sondern in vielem um bürgerschaftliches Engagement, um zivilgesellschaftliches Engagement. Wenn ich mir obendrein die Statistiken ansehe, die politische Gewalttaten und Straftaten erfassen, dann ist eindeutig, dass der Schwerpunkt der letzten Jahre eindeutig auf rechtsextremistischen Straf- und Gewalttaten liegt.

Aber auch schon im Koalitionsvertrag steht, es gehe künftig darum,“jede Form von Extremismus, auch von links zu bekämpfen“. Ist das nicht vielleicht mit einer Art Placebo-Funktion geschehen, damit sich die Union überhaupt mit dem Thema anfreunden kann?

Sicherlich ist das auch eine Brücke für die Leute in der CDU, die beim Kampf gegen Rechtsextremismus immer die Scheuklappen herunterlassen. Dann wäre es eine Hoffnung, dass zwar gesagt wird, wir müssen auch etwas gegen Linksextremismus fördern, das braucht aber nur relativ wenig sein und der große Schwerpunkt kann weiterhin auf den Kampf gegen den Rechtsextremismus gesetzt bleiben. Aber das ist noch Spekulation, denn noch ist ja nicht unterfüttert, was künftig direkt gefördert werden kann oder wogegen im Detail gewirkt werden soll.
Daher müssen wir scharf im Auge behalten, was da an Trendwende aus dem Ministerium kommt. Wenn man allerdings auch sieht, dass inzwischen sogar in Mecklenburg-Vorpommern, der Heimat Angela Merkels, die CDU im Landtag erkannt hat, dass endlich besonders aktiv gegen Rechtsextremismus gehandelt werden muss, hätte man sich wünschen können, dass diese Einsicht auch auf die Gesamtpartei Auswirkungen hat und dieser Ansatz deutlicher unterstützt wird.

Haben Sie denn den Eindruck, dass die CDU-Einsichten in Mecklenburg-Vorpommern, aus Überzeugung gewachsen sind, oder nur taktisch aus Angst, plötzlich Stimmen an die NPD zu verlieren?

Wahrscheinlich beides. Im Vordergrund steht aber, dass der Fraktionsvorsitzende in der CDU-Landtagsfraktion gewechselt hat, der diesem Thema grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit schenkt. Da hängt also viel an der Sensibilität einer Person, leider auch an vielen anderen Stellen, sonst hätte sich bundesweit rechtzeitig viel mehr bewegt.Außerdem ist die Erfahrung mit der NPD in Sachsen auch für die CDU in den anderen neuen Bundesländern sehr lehrreich gewesen. Dass sich so etwas in einem Bundesland wiederholt, wie 2004 in Sachsen, möchte niemand mehr erleben – auch nicht in der Union, die dort vor der Landtagswahl immer negiert hatte, dass es ein Problem mit Rechtsextremismus gibt.

Seit heute veröffentlichen die Servicestellen für CIVITAS auf ihren Websites einen Grundlagentext aus dem Familienministerium in dem es zu den künftigen Bundesförderprogrammen pauschal heißt: „Die Koalitionsvereinbarung setzt auf Fortsetzung und Verstetigung des Einsatzes der Jugendpolitik für Demokratie und Toleranz. Ziel ist, ein breites Verständnis für die gemeinsamen Grundwerte und kulturelle Vielfalt zu entwickeln, Achtung der Menschenwürde zu fördern und jede Form von Extremismus zu bekämpfen...“

Soweit einverstanden, doch bei Extremismus hätte wenigstens ergänzt werden können, „insbesondere dem Rechtsextremismus, der Demokratie und Menschenwürde nicht akzeptiert“.

Der eigentliche Kernsatz nennt mehrere Eckpunkte künftiger FörderungspolItik. Zunächst heißt es, dass das neue Programm des Bundes „vorrangig im präventiv-pädagogischen Bereich angesiedelt sein soll“...

Was diese Verlagerung betrifft, sich stärker hin auf Prävention zu konzentrieren und im Bildungs- und Arbeitsbereich anzusetzen, das ist gewiss begrüßenswert. Die Frage ist eben nur, wie es ausgestaltet wird. Und die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements darf keinesfalls Nebensache werden.

Zur Umsetzung heißt es nun: „Lokale Aktionspläne sollen in kommunaler Verantwortung gefördert werden, herausgehobene, modellhafte Maßnahmen unterstützt, sowie auf Bundesebene zusätzliche Orte zentraler gesellschaftlicher Kommunikation zu Vielfalt,Toleranz und Demokratie - gegen Extremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus geschaffen werden.“

Man erkennt nun immer deutlicher, dass die neue Bundesrgierung eine Verschiebung der Schwerpunkte will. Die Konzentration auf die Arbeit in den Kommunen ist sicher wichtig, wenn man weiß, wie es in vielen Kommunen vor Ort aussieht, wie mager dort der Wissensstand ist, wie mit Rechtsextremen umgegangen werden kann. Diese Unsicherheit vieler Bürgermeister und Gemeinderäte zu beheben, das ist notwendig. Aber so, wie das jetzt klingt, soll der Impuls vor allem aus den Kommunen kommen und die Bundesebene unterstützt das irgendwie. Aber gerade Bürgermeister und Gemeinderäte zeigen sich immer wieder auf dem rechten Auge blind und brauchen den Anstoß von außen. Wo aber bleibt die Unterstützung der Mobilen Beratungsteams, die durch die bisherigen Bundesprogramme auf Länderebene installiert worden sind? Nach Stand der Dinge bleiben sie künftig außen vor und ohne Absicherung. Doch sie bleiben gerade für diesen Prozess besonders nötig, um vor Ort Augen zu öffnen und gesellschaftlichen Klimawandel konstruktiv anzuleiten bzw. zu begleiten. Solche Strukturen zu stabilsisieren ist wichtig, auf die eine Kommune zugreifen kann.

Werden denn in diesem Prozess, der 2007 in einem neuen Förderprogramm münden soll, auch die Grünen um Rat gefragt?

Da wir nicht mehr mit in der Regierung sind, wohl kaum. Das wäre unüblich. Ich hoffe aber, dass wenigstens die Initiativen und die Stiftungen gefragt werden, wenn es um die Beratung geht bzw. wenn es darum geht, von dort Informationen einzuholen, was deren Schwerpunkte und Erfahrungen in den letzten Jahren waren und wie die Bedürfnisse vor Ort aussehen. Was vielleicht funktionieren könnte, ist Rat auf einer persönlichen Ebene auszutauschen, aber da hat sich ja die CDU noch nie besonders hervorgetan, bei diesem Thema auf die Grünen zuzugehen. Wir müssen uns von uns selbst aus einmischen, von CDU-Seite kommt leider nichts.

Haben Sie denn unter CDU-Kolleginnen und Kollegen im Bundestag inzwischen Ansprechpartner für das Themenfeld?

Es ist bis jetzt immer noch irgendwie keine Weiterentwicklung zu erkennen. In die SPD gibt es natürlich noch alte Kontakte aus gemeinsamer Regierungszeit. Dann gibt es natürlich auch in der Linksfraktion Leute, die an diesem Thema arbeiten, aber eben von FDP- und CDU-Seite gibt es nach wie vor kaum Abgeordnete, die das langfristig angehen, die das interessiert und die das Thema behandeln. Wenn, dann wird das entweder innenpolitisch abgearbeitet, oder wenn es um Demokratieentwicklung geht, wird gesagt, ja, man muss irgendwie in Bildung investieren. Zivilgesellschaft hat für die meisten nach wie vor nur mit Ehrenamt zu tun. Ein Irrtum, weil auch die Zivilgesellschaft gut geschulte Inspiratoren, Vorbilder und Mutmacher braucht.

Über die Zukunft der Strukturprojekte, über die künftige Förderung mobiler Beratungsteams und Opferberatungen wurde bisher nichts oder wenig gesagt. Welche Zukunft sehen Sie hier?

Ich fürchte, die drohen unterzugehen, denn auch die Länder lassen sie im Stich. Dabei wäre es äußerst kurzsichtig, denjenigen die Chance zu nehmen weiter zu arbeiten, die in den letzten Jahre sehr viel Sachwissen in der Materie angehäuft haben, sich vernetzt und wirksame Handlungsstrategien für die Zivilgesellschaft und ihre Institutionen entwickelt haben. Ihnen wird aber bislang gesagt: so, wir ändern unsere Schwerpunkte und schaffen einfach auch uns genehme Strukturen. Doch auf diese Weise arbeitet die Bundesregierung im Grunde genommen der Gegenseite in die Hände, und es freuen sich nur die Rechtsextremisten.

Heißt das, sie halten der Bundesregierung vor: die Einsicht ist zwar da, aber die Weitsicht fehlt?

Noch schlimmer. Man weiß, man muss irgendwas tun, aber man will natürlich nicht das, was die frühere Bundesregierung gemacht hat, weiterführen. Zum einen widerspräche das dem Ego, denn das würde ja heißen, die vorige Bundesregierung habe richtig gemacht, was die CDU die ganzen Jahre bekämpfte. Das wäre womöglich ein Eingeständnis eines Fehlers. Deshalb sagt sich die CDU offensichtlich jetzt als Teil der Regierung, wir gehen lieber unseren eigenen Weg, der aber leider noch nicht der beste ist.

Immerhin heißt es, die Planungen würden in den nächsten Wochen vertieft und verfeinert, „und mit Vertretern der Länder, Kommunen und den weiteren gesellschaftlichen relevanten Kräften diskutiert“. Wenn Sie nun doch gefragt würden als Grüne, was muss aus Ihrer Sicht auf jeden Fall geändert werden?

Einmal muss das Wort Verstetigung auch wirklich in der Praxis umgesetzt werden, das heißt, die bislang vorgesehenen Mittel zur Rechtsextremismusbekämpfung müssen auch Mittel zur Rechtsextremismusbekämpfung bleiben. Wenn die Bundesregierung zusätzlich andere Inhalte fördern will, sollte sie doch bitte zusätzliche Extra-Programme auflegen bzw. in anderen Haushaltstiteln veranschlagen. So aber erfolgt ein falsches Signal für die Länder bzw. für die Kommunen. Ich sehe nämlich prompt Haushaltspolitiker und Landesregierungen sehr schnell argumentieren, ah, das Problem ist jetzt nicht mehr so virulent, dann können wir ja unser Landesprogramm in den nächsten Jahren auch wieder reduzieren, die Kommunen erledigen den Rest. Die Kommunen haben aber in der Regel weder Geld noch irgendwie Verständnis dafür, so etwas zu finanzieren. So droht dann im Grunde genommen ein Rückschritt, der den Leuten, die in den Kommunen vor Ort leben und den rechtsextremen Gefahren ausgesetzt sind, auf die Füße fällt.

Frau Lazar, wir danken für das Gespräch.

Quelle:
http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/artikel.php?id=75&kat=75&artikelid=2130

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