Leipziger Volkszeitung, 08.02.2008

Puderzucker oder Apfelmus
Politikerin im Praktikum: Monika Lazar arbeitet im Jugendcafé des CVJM

Leipzig-Schönefeld. Die Neue an der Theke sieht aus wie viele andere Praktikantinnen – so um die 20, lässige Klamotten und scheint gut drauf zu sein. Also kommen Kim und Laura gleich zur Sache: „Zwei Waffeln bitte.“ „Mit Puderzucker oder Apfelmus“, fragt die Neue. Unschlüssiges Schulterzucken der beiden Elfjährigen. „Ich mach euch je eine Ecke, okay?“ – Der Vorschlag wird akzeptiert. 30 Cent wechseln rasch die Besitzer, denn die nächsten Kunden warten schon. Alles klappt reibungslos – schließlich ist Monika Lazar wie alle anderen Praktikanten im Haus des Schönefelder Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM) gründlich eingewiesen worden. Ein paar Unterschiede gibt es aber doch: Die junge Frau im lockeren Outfit ist Mitglied im Deutschen Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen.
 
Daniel, der ein paar Tische weiter mit seinen Kumpels Karten klopft, bringt diese Nachricht nicht weiter aus der Fassung. „Lazar? – sagt mir nüscht.“ Und wie sieht’s aus mit Politik? „Die reden eh, was die Leute hören wollen“, winkt er ab. Die vielen noch Unbekannte lässt sich von soviel Skepsis nicht weiter beeindrucken – deshalb ist sie ja hier: „Junge Leute sollen uns kennenlernen. Wenn man das erste Mal im Leben so unkompliziert mit Politikern in Kontakt kommt, ist das gut für die Zukunft. Sie sollen merken, mit denen kann ich reden, die fahren nicht nur dicke Autos oder machen endlose Beratungen.“
 
Die Aktion „Politiker im Praktikum“ ist ein Projekt des CVJM-Gesamtverbandes unter der Schirmherrschaft der Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan. „Wir wollen helfen, die Distanz zwischen jungen Menschen und Politikern abzubauen“, erklärt CVJM-Frau Sigrid Müller. „Den Politikern wiederum soll durch ihr Praktikum unsere Jugend- und Bildungsarbeit näher gebracht werden.“ Mehr über die Einrichtung und das Umfeld der Jugendlichen möchte auch Lazar erfahren. „Na, schmeckt’s“, lautet ihre Einleitung, um mit Kim und Laura ins Gespräch zu kommen. „Seid ihr öfters hier?“
 
Die Abgeordnete erfährt: Die beiden sind fast jeden Tag hier, spielen meist Air-Hockey und gehen in die 20. Mittelschule. Die Schülerinnen wiederum wissen nun: Die Bündnisgrüne ist gebürtige Markkleebergerin, studierte Betriebswirtin, ist gelernte Bäckerin und auch schon ein paar Jahre älter als 20. Die Lebensgeschichten Anderer kennt sie auch aus vielen Kundengesprächen in der ehemaligen elterlichen Bäckerei. So einer kann man auch mal von seinen eigenen Sorgen und Wünschen erzählen, finden Kim und Laura. Von denen nach einer größeren Turnhalle oder Sitzecken auf dem Schulhof oder von schlechten Zensuren und Streit mit den Eltern.
 
Die Abgeordnete hat gut zugehört und vor allem fleißig gearbeitet. Am Ende des Tages ist Norbert Rensch mit der Praktikantin zufrieden. „Niemand will hier zugequatscht werden“, weiß der CVJM-Projektleiter. „Auf Krampf kriegt man nichts.“ Auch Lazar ist zufrieden: „Die Kinder und Jugendlichen fühlen sich hier wohl“, was dazu gelernt hat sie auch. Selbst Daniel zeigt sich aufgeschlossener: Er will ein paar Billardstöcke. Immerhin. Da ist noch Potential – für’s nächste Mal. Ingrid Hildebrandt

 


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