Oschatzer Allgemeine, 02.11.2007, Seite 15

Mügelns langer Schatten
Monika Lazar spricht mit Einwohnern über die Zeit nach den Auseinandersetzungen zum Stadtfest

Von Falk Schneider

Mügeln. Der Kicker-Tisch ist beiseite geräumt, die Billard-Queues stehen unberührt in der Ecke, und geraucht wird im Mügelner Jugendclub "Free Time Inn" auch nicht. Trotzdem haben sich zur Mittagszeit mehr als 15 Jugendliche in dem großen, ein bisschen zu dürftig ausgeleuchteten Raum getroffen - um mit der Bundestagsabgeordneten Monika Lazar zu reden.

Die Bündnis 90/Die Grünen-Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus traf sich gestern zuerst mit Jugendlichen und später mit Bürgermeister Gotthard Deuse (FDP), um über die Zeit und die Erfahrungen nach den Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Indern während des Stadtfestes in Mügeln zu sprechen. 69 Tage ist die Nacht zum 19. August nun her, doch vielen Jugendliche berichten, dass sie noch immer mit der Verfolgung der Inder konfrontiert werden. "Wenn wir bei Festen wie am Horstsee sind und erzählen, wo wir wohnen, kommt immer die Frage nach der Sache damals", erzählt ein Jugendlicher. Monika Lazar möchte mehr über die Nachwehen wissen, die Bundestagsabgeordnete fragt präzise nach: "Was erzählt ihr über den Abend? Kennt ihr Jugendliche, die sich mit den Taten rühmen?" Zur Antwort bekommt die Grüne ein deutliches Nein. Peter Glauch betont: "Es gibt keine Jugendlichen, die sich öffentlich als rechtsradikal bezeichnen." Bernhard Weber, der ebenfalls an der Diskussion teilnimmt, bedauert das zerstörte Meinungsbild. "Wir sind jetzt bekannt. Ein Freund aus Uganda hat mich angerufen und gefragt, was bei uns los war." Zwölf Jahre Stadtfest und gute Werbung für Mügeln seien in "ein paar blöden Minuten" kaputt gemacht worden. "Den Ruf wieder herzustellen, ist fast unmöglich", beklagt der Mitarbeiter der Stadtverwaltung.

Die Mügelner Bauaumtsleiterin Karin Uhde erzählt von der Anfrage des Deutsch-Türkischen Jugendwerks, das plant, Jugendliche nach Istanbul einzuladen, um miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Wunsch aus der Türkei: Die Jugendlichen sollen rechtsextrem und zwischen 17 und 21 Jahre alt sein. "Da wir keine Rechtsextremisten in Mügeln haben, die Polizei die Ermittlungsergebnisse nicht veröffentlicht und unsere Schüler in der Mittelschule für einen Austausch noch zu jung sind, bezeichnet uns das Jugendwerk als unkooperativ", empört sich Uhde.

Auf dem Holztresen im Jugendclub surrt ein Handy und klingelt schrill. Die Abgeordnete nutzt die Unruhe, um die Diskussion in eine andere Richtung zu lenken: "Was können wir gegen Fremdenfeindlichkeit tun?" Sie selbst schockiert es, bei Diskussionen in Schulen festzustellen, wie verankert Rassismus schon bei 15-jährigen Kindern sein kann. "Es stellt sich die Frage, wie wir an die Erwachsenen herankommen. Wie kann rechtes Gedankengut aus den Köpfen verbannt werden?" Einen Lösungsansatz bekommt sie an diesem Nachmittag in Mügeln nicht. Den hat die Bundestagsabgeordnete allerdings auch nicht erwartet.

 

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